Studie von HHU-Professor Sprechen Unternehmen mit einem Binnen-I mehr Bewerberinnen an?
Düsseldorf · Ein Sprachwissenschaftler von der Heine-Uni hat untersucht, inwiefern geschlechtergerechte Sprache in Stellenanzeigen Frauen mehr anspricht.
(pze) Geschlechtersensible Sprache erhitzt seit Jahren die Gemüter. Die einen reagieren gereizt bis wütend auf jedes Binnen-I oder Sternchen in einem Wort, andere sehen darin einen Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter.
Welchen Effekt die Nutzung geschlechtersensibler Sprache auch auf Unternehmen haben kann, hat der Düsseldorfer Sprachwissenschaft Professor Stefan Hartmann von der Heinrich-Heine Universität (HHU) gemeinsam mit Dominik Hetjens von der Technischen Universität (TU) Dresden untersucht. Genauer: den Einfluss auf mögliche Bewerberinnen und Bewerber.
Dafür untersuchten die Wissenschaftler einen von der Online-Stellenbörse Stepstone zur Verfügung gestellten Datensatz und werteten 250 000 Stellenanzeigen aus, die fast 48 Millionen Mal angeklickt wurden. Dabei zeigte sich ein Effekt, den ein entsprechender Sprachgebrauch offenbar hatte: Bei Stellenanzeigen, bei denen an eine maskuline Form wie Informatiker lediglich ein (m/w/d) angehängt wurde, lag der Frauenanteil über alle Branchen hinweg fast durchweg signifikant niedriger als bei solchen, die etwa ein sogenanntes Morphemtrennzeichen, also beispielsweise Genderstern (Informatiker*in) oder Gendergap (Informatiker_in), oder neutrale Formen wie Pflegekraft benutzten.
Nach Angaben der Universität stützen diese Ergebnisse Resultate früherer Studien, die mit experimentellen Methoden zeigen konnte, dass der Gebrauch gendersensibler Sprache dazu führen kann, dass sich Bewerberinnen in höherem Maße angesprochen fühlen.
Hartmann und Hetjens warnen jedoch davor, aus ihren Ergebnissen allzu starke Argumente für die hitzige Diskussion um den Sprachgebrauch zu ziehen. Professor Hartmann: „Bezeichnungen wie „Klempner (m/w/d)“ und „Account Manager (m/w/d)“ werden hier der gleichen Kategorie zugeschlagen, auch wenn bei englischen Berufsbezeichnungen unter Umständen davon auszugehen ist, dass sie auch von deutschsprachigen Leserinnen und Lesern als genderneutraler empfunden werden als ursprünglich deutsche Personenbezeichnungen im Maskulinum.“
Außerdem wiesen die beobachteten Unterschiede nicht zwangsläufig auf einen kausalen Zusammenhang zwischen gendersensibler Sprache und einem höheren Interaktionsanteil weiblicher Nutzerinnen hin. Es sei demnach ebenso denkbar, dass beispielsweise ausschreibende Unternehmen, die aus anderen Gründen besonders Frauen ansprechen, auch stärker dazu tendieren, gendersensible Sprache zu verwenden.
Dennoch sei die Annahme aufgrund der Ergebnisse plausibel, dass sich Frauen von der gegenderten Form eher angesprochen fühlen als Männer.