Düsseldorf Verkehrsverstöße: Die Mini-Anarchie im Straßenverkehr
Menschen halten sich im Verkehr oft nicht an Regeln. Die Folge sind Unfälle — aber auch eine generell aggressivere Stimmung.
Düsseldorf. Der Verkehrsbericht für 2015 hat gezeigt: Es gibt immer mehr Unfälle in Düsseldorf — laut Polizei auch wegen einer sinkenden Verkehrsmoral: Menschen brechen einfach häufig die Regeln. Das ist nicht nur in Zusammenhang mit tödlichen Crashs ein Thema — jeden Tag und zu jeder Zeit herrscht auf den Straßen so etwas wie Anarchie im Kleinen. Nicht das Fahren bei Rot, das Umfahren von Fußgängern beim Abbiegen, sondern der vermeintlich kleine, unbedeutende Regelverstoß — der in der Masse allerdings fürchterlich an den Nerven zehrt, für Hupkonzerte und eine immer aggressivere Stimmung sorgt. Ein paar Beispiele:
Punkt 1: Es ist tägliche Praxis, wenn Autofahrer aus Richtung A44 auf die Niederrheinstraße abbiegen. Zu verlockend ist es, die zumeist leere Taxispur auf der Straße Stockumer Höfe zu nutzen. Statt sich artig Stoßstange an Stoßstange auf dem nur einspurigen Abbieger einzureihen, geht es ohne Verzögerung direkt auf die Fahrbahn in die Innenstadt. Das lässt jene schäumen, die Recht und Gesetz achten, dafür aber oft minutenlange Wartezeiten vor der Ampel in Kauf nehmen müssen.
Punkt 2: Nur wenige Meter weiter wird es oft eng, wenn sich Autofahrer mit hohem Tempo an der A44-Abfahrt hinter dem Tunnel in die Abbiegespur Richtung Danziger Straße drängeln und die nachfolgenden Fahrer zu abrupten Bremsmanövern zwingen. Wütendes Hupe sind die Folge. Bislang zum Glück nur.
Punkt 3: An der Elisabethstraße Richtung Bilker Bahnhof sollen die Autofahrer kurz vor dem Kirchplatz eigentlich entweder links abbiegen auf den Fürstenwall oder sich auf eine Geradeausspur rechts der Straßenbahnhaltestelle einfädeln. Weil es dort beim Reißverschlussverfahren naturgemäß oft stockt, fahren inzwischen immer mehr Autofahrer einfach geradeaus, direkt über die schraffierte Sperrfläche für die Bahn und unmittelbar am Bahnsteig vorbei.
Punkt 4: Und dieser Punkt ist quasi austauschbar gegen zig zugestellte Kreuzungen im Stadtgebiet. Ein Beispiel: die Friedrichstraße Richtung Heine-Allee im morgendlichen Berufsverkehr. An der Ampel warten die Autos, während der Querverkehr auf der Graf-Adolf-Straße Grün hat — und munter weiter in den Kreuzungsbereich einfährt, obwohl der längst verstopft ist und man selbst die wartenden Autofahrer von rechts beim Umspringen der Ampel blockieren wird. Und die wiederum drücken dann sekundenlang sinnlos auf die Hupe, obwohl sich ohnehin nichts bewegen kann.
Thema des Tages
Verkehrsverstöße
Solche ärgerlichen Beispiele kennt natürlich auch Andrea Blome, Leiterin des Amtes für Verkehrsmanagement: „Das war immer ein Thema.“ Aber die Stadt mit ihrer Unfallkommission kümmert sich vor allem um die Sicherheit — nicht um Ärgernisse. In diesem Bereich ist auch viel passiert, um Regelverstöße einzudämmen. Etwa mit Rotlichtblitzern am Seestern oder Pollern, die zum Beispiel an der Breite Straße verhindern, dass Autofahrer von der mittleren Fahrspur einfach links abbiegen (in der Vergangenheit kam es dabei vor der Garageneinfahrt des Carsch-Hauses immer wieder zu Zusammenstößen mit Straßenbahnen).
Aber: „Manchmal kann man baulich oder mit Ampelschaltungen auch gar nichts machen. Dann muss die Polizei stärker überwachen“, sagt Blome. Das geschehe auch „ständig“, sagt Polizeisprecher Marcel Fiebig. Genaue Zahlen über die Kontrollen gibt es allerdings nicht. Immerhin: Etwa fürs Einfahren in eine Kreuzung trotz Rückstaus werden 30 Euro Strafe fällig. Theoretisch. Das Problem: Der Verkehrsdienst müsste im Berufsverkehr vermutlich jede zweite Kreuzung in Düsseldorf überwachen, um einen Effekt zu erzielen. Kaum zu leisten.
Ohnehin hat Sanktion immer nur einen kurzfristigen Effekt, glaubt der Düsseldorfer Verkehrs- und Umweltpsychologe Kai Lenßen. Schade — denn durchaus hält er die permanente Missachtung von Regeln für mehr als nur ein Ärgernis: „Ich finde es schon problematisch, weil es in der Masse einen deutlichen Effekt hat.“ Der „Ressourcenkonflikt“ um den raren Raum verschärfe sich, wenn jeder für sich selbst ein Extrastückchen davon reklamiere. „Der Blick fürs Ganze geht beim einzelnen Autofahrer verloren“, sagt Lenßen. Es geht in der Situation selbst nur um „den eigenen Nutzen“.
Grund sei die Zunahme der Verkehrsdichte. „Der Autofahrer ist überlastet“, glaubt Lenßen — und denke dann nur noch daran, wie er selbst jetzt schnell weg komme. „Das ist in der Tat ein bisschen Anarchie“, sagt der Experte. Aber für die gibt es bekanntlich keine einfachen Lösungen. „Handlungsstrategien zu finden ist schwierig“, findet auch Lenßen. „Wenn man langfristig etwas ändern wollte, müsste man Verkehrsströme verringern.“ Ad hoc könne man nur an die Vernunft des Einzelnen appellieren. „Und das bringt ja bekanntlich nicht wirklich etwas.“ “ Voting: Ärgern Sie sich, wenn andere Autofahrer gegen Regeln verstoßen?
wz.de/duesseldorf