Düsseldorf Wenn die Mama zu viel trinkt
Viele Kinder leiden unter suchtkranken Eltern - ein Projekt tourt jetzt durch Schulen, das Kindern zeigt, wie sie reagieren können.
Düsseldorf. Wenn Anna morgens in die Küche kommt, stehen Weinflaschen auf dem Tisch, ihre Mutter liegt noch im Bett. Das kleine Brüderchen hat noch keine Milch bekommen, also kümmert sich das Mädchen darum. Das alles noch neben ihrer Schule, aber was soll sie tun? Irgendwie muss die Familie ja weiterlaufen — und niemand soll erfahren, dass ihre Mutter ihr Leben nicht geregelt bekommt und ständig Wein und Schnaps trinkt.
Die Geschichte von Anna ist ausgedacht, aber sie könnte auch echt sein. Rund 2,6 Millionen Kinder in Deutschland leben nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) mit einem suchtkranken Elternteil. Die TK unterstützt nun das Vorbeugungsprojekt „Annas Geburtstag“, das durch Düsseldorfer Schulen tourt. Jetzt war der Auftakt am Luisen-Gymnasium.
Schauspielerin Lara Pietjou präsentierte die Geschichte von Anna vor zwei sechsten Klassen des Gymnasiums. Die Kinder waren bewusst kaum vorbereitet auf die Aktion, denn gefragt waren auch ihre spontanen Reaktionen.
In der Erzählung wird die Lage von Anna immer schlimmer — bis sie sich schließlich traut, eine Nachbarin um Hilfe zu bitten. Schauspielerin Lara Pietjou unterbricht ihre Erzählung mehrmals, fragt die Kinder, was sie tun würden, wenn sie an Annas Stelle wären. Dabei geht es auch darum, den Kindern zu zeigen: In einer solchen Situation ist es wichtig, sich Hilfe zu suchen. Das kann erstmal ein Freund sein, ein Lehrer.
Andrea Hilberath von der TK erläutert: „Kinder geraten in solchen Situationen oft in eine Co-Abhängigkeit. Sie versuchen zum Beispiel, ihre Eltern zu decken oder übernehmen Aufgaben von ihnen mit.“ Damit seien Kinder aber in der Regel überfordert, gerieten unter einen Stress, den sie psychisch nicht bewältigen könnten.
Die Initiative für das Stück ging von Daria Piatkowski aus, die den Verein „Kunst gegen Sucht“ gegründet hat. Sie hat als Kind in ihrer Familie selber solche Erfahrungen gemacht, war später jahrelang alkoholabhängig. 2007 gründete sie den Verein, „Annas Geburtstag“ ist das dritte Projekt, das Schüler mit Fragen und Antworten zu Alkoholismus konfrontiert. Bei „Ich komma saufen“ trat ebenfalls ein Schauspieler auf, berichtete von seiner Sucht. Das Besondere: Die Schüler gingen zunächst davon aus, der Mann vor ihnen berichte von seinen eigenen, ganz realen Problemen.
Nach den ersten Aufführungen im Luisen-Gymnasium gibt es weitere Termine in der Dieter-Forte-Gesamtschule, der Theodor-Litt-Realschule und der Hauptschule Bernburger Straße. Weitere Schulen können sich beim Verein melden. Geplant sind Aufführungen in ganz Nordrhein-Westfalen. Sie finden in der Klasse statt, in dem relativ kleinen Kreis ist es leichter für die Schauspielerin, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen.