Zwei, die auszogen, um Bier zu testen
Sie haben sich dem Gerstensaft verschrieben: Karl-Heinz Gatzweiler und Dirk Rouenhoff sind leidenschaftliche Bier-Sommeliers und haben für uns einige neue Sorten probiert.
Karl-Heinz Gatzweiler hält das Bierglas in die Höhe. Er schwenkt es, beobachtet mit leicht zusammengekniffenen Augen aufmerksam, wie sich die Flüssigkeit im Glas dreht. „Das ist ein Ockerton“, murmelt er vor sich hin und blickt ernst Dirk Rouenhoff an, der neben ihm sitzt. Auch der hält sein Glas prüfend in die Höhe, schaut, wägt ab, stimmt dann nickend zu. Vor ihnen, auf dem Tisch in der Schlüssel-Brauerei, stehen drei Flaschen und viele (noch) leere Gläser. Um die Hausmarke handelt es sich bei dieser Bierverkostung jedoch nicht. . .
Gold, gelb, blond: Diese Begrifflichkeiten würde der normale Biertrinker wahrscheinlich wählen, wenn er über die Farbe seines Getränkes sinnieren müsste (Hauptsache es schmeckt, ist doch egal wie es aussieht). Aber Karl-Heinz Gatzweiler ist eben kein normaler Konsument, genauso wenig wie sein Kollege Dirk Rouenhoff. Die Beiden haben sich dem Gerstensaft verschrieben, Bierbotschafter nennen sie sich selbst sogar. Sie machen sich stark fürs Bier. Passt, denn Gatzweiler ist Chef der Schlüssel-Brauerei, Rouenhoff wiederum sein Diplom-Braumeister.
Aber mehr noch: Sie sind Bier-Sommeliers. Klingt erst mal ungewöhnlich, scheint der Begriff „Sommelier“ ja geläufiger im Zusammenhang mit Wein. Doch spätestens die innovativen Craft-Biere haben dem Markt neue Impulse gegeben. Dieses Erfolgsrezept haben sich viele Brauereien und junge Start-Up-Unternehmen zu Nutze gemacht. Vom profanen Getränk ist Bier nun in den Olymp des komplexen Genussmittels emporgehoben worden. Allein in Deutschland listet der Verband der Diplom-Bier-Sommeliers 688 Experten auf seiner Homepage. „Bier ist Wein bei der Aromavielfalt überlegen“, sagt Karl-Heinz Gatzweiler, lächelt wissend und steckt seine Nase tief in ein Glas. Was Andere jetzt erst feststellen, das wusste er schon längst.
Geschult, geprüft, zertifiziert: Zwei Wochen dauerte der Intensivkurs von Gatzweiler und Rouenhoff an der Doemens-Akademie. Den Kurs kann übrigens jeder absolvieren, man sollte jedoch „fundierte Produktkenntnisse“ mitbringen und Leidenschaft. Vom Herstellungsprozess, der Gläserpflege, Sensorik, der richtigen Bierauswahl zum Essen bis hin zur Information über „die positiven gesundheitlichen Auswirkungen des moderaten Bierkonsums“: Alles stand auf ihrem Programm. Die Fortbildung habe beide noch näher an den Konsumenten gebracht, sagt Rouenhoff. „Die unglaubliche Geruchs- und Geschmacksvielfalt von Bier“ zu beschreiben sei in einer Hausbrauerei eben sehr gefragt.
Die Biere, die jetzt gerade vor ihnen auf dem Tisch stehen, und auf ihre fachgerechte Verkostung warten, heißen „Dead Guy Ale Rogue“, „Barcelona“ und „Dawa Dam“ und sind allesamt Craft-Biere. Wobei die Fachmänner bei diesem Begriff schmunzeln müssen. „Wir stellen seit 1850 handwerklich Bier her und machen seitdem nichts anderes. Craft bedeutet Handwerk oder handwerkliches Arbeiten. Wir sind Craft-Bier“, erklärt Dirk Rouenhoff.
Mittlerweile schwenken die Sommeliers ihre Gläser nicht mehr in die Höhe und riechen, sondern analysieren kritisch den Schaum, erst dann wird probiert. Das Eine ist sehr hopfenbetont, hat einen grobporigen Schaum und ist garantiert kalt gehopft, das Andere ausgeprägt säuerlich. Schaum: So la la. Beim „Dead Guy“ kommen im Antrunk Fruchtaromen, während „Dawa Dam“ mit einer leichten Honignote daherkommt, „Barcelona“ hingegen hat ein dezentes Zitrusaroma, das riechen die Experten. Apropos Riechen. Das hätten die Zwei mit der Aromenschatztruhe „Le Nez Du Vin“ geübt, dem Geruchsalphabet mit 54 Aromen, um den Reichsinn zu schulen. „Gar nicht so einfach wie man denkt“, verrät Gatzweiler. Dann verzieht er sein Gesicht. „Dawa Dam“ - so wohlklingend der Name, so übel schmeckend für seinen Gaumen. „Sehr süß“, lautet das einhellige Urteil. Wenn es einen Gewinner geben müsste, dann wäre es wohl „Barcelona“.
Wobei, da gibt es ja noch die „Hopfen Symphonie“, das neue Craft-Bier aus dem Hause Schlüssel. Eine Komposition aus Zitrusdüften von Grapefruit, Maracuja und Mandarine. Im Hintergrund schweben die aus dem Röstmalz resultierenden Karamellnoten. Karl-Heinz Gatzweiler und Dirk Rouenhoff gießen sich ein Schlückchen ihrer Kreation ein und schließen verzückt die Augen. Zu Hause schmeckt es doch immer noch am besten.