Schon 27.000 Euro gesammelt Düsseldorfer kämpfen gegen Antisemitismus

Interview | Düsseldorf · Die Jonges haben mit den Freundeskreisen der Kulturinstitute und des Kunstpalasts eine Spendensammlung gestartet.

Wolfgang Rolshoven (l.) und Richard Isselhorst in der Mertensgasse in der Altstadt, wo das Jonges-Haus steht. Es gehörte einst dem Onkel von Heinrich Heine, der Jude war.

Foto: Anne Orthen

Unter der Überschrift „Stopp Antisemitismus“ haben die Düsseldorfer Jonges mit den Freundeskreisen der städtischen Kulturinstitute und dem Freundeskreis des Kunstpalasts eine Spendensammlung gestartet. Es ist bereits eine fünfstellige Summe zusammengekommen, rund 330 Düsseldorfer haben gespendet. Mit dem Geld sollen Programme gegen den Antisemitismus in der Landeshauptstadt Düsseldorf finanziert werden. Wir treffen Jonges-Baas Wolfgang Rolshoven und Richard Isselhorst, Sprecher der Freundeskreise, im Jonges-Haus in der Mertensgasse. Es gehörte einst dem Onkel von Heinrich Heine, der bekanntlich Jude war.

Herr Isselhorst, Herr Rolshoven, wie ist es zur Idee für „Stopp Antisemitismus“ gekommen?

Richard Isselhorst: Wir haben uns bei der Demonstration „Run for their Lives“ kennengelernt, bei der es seit dem Überfall der Hamas auf Israel an jedem Sonntag um 15.30 Uhr auf der Königsallee darum geht, mit der Forderung „Bring them home now“ für die Freilassung der jüdischen Geiseln einzutreten.
Wolfgang Rolshoven: Das war am 7. Oktober vorigen Jahres, also genau ein Jahr nach dem Überfall der Hamas. Wir kamen ins Gespräch und es ist relativ schnell die Idee entstanden, gemeinsam etwas gegen den Antisemitismus in unserem Land zu tun, der von links und rechts kommt und durch den islamischen Antisemitismus ergänzt wird.

Die Situation im Nahen Osten beeinflusst die Diskussion maßgeblich. Welche Rolle spielt das für Sie?

Isselhorst: Genau darum geht es uns nicht. Es geht hier nicht um Israel, Gaza oder Palästina, sondern um den Antisemitismus in Deutschland und damit auch in Düsseldorf. Der schlummernde Antisemitismus ist ja lange vor dem Hamas-Überfall erwacht. Der Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf fand im Jahr 2000 statt, das Attentat in Halle geschah 2019, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Generation meiner Eltern hat geschwiegen, als der Terror gegen die Juden in Deutschland begann. Ich habe mir vorgenommen, das nicht zu tun.
Rolshoven: Antisemitische Beleidigungen, Bedrohungen und Taten haben auf erschreckende Weise zugenommen. Sie kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten und finden in allen Bereichen des sozialen, kulturellen, sportlichen und politischen Lebens statt. Das wollen wir nicht hinnehmen und fordern auf, dagegen aufzustehen und klar Stellung zu beziehen. Es darf nicht sein, dass Juden auch in Düsseldorf ernsthaft überlegen, unser Land zu verlassen.

Wo haben Sie von konkretem Antisemitismus in Düsseldorf gehört?

Rolshoven: Beim Paul-Spiegel-Festival hat mir eine Mitarbeiterin, die von der Jüdischen Gemeinde engagiert und auf Wohnungssuche war, 2018 etwas erzählt, das mich schockiert hat. Ein Hausbesitzer habe ihr gesagt, er vermiete nicht an Juden. Ich finde das entsetzlich und ich hätte mir in den siebziger oder Achtzigerjahren nicht vorstellen können, dass so etwas bei uns wieder möglich ist. Jetzt marschieren Antisemiten zusammen auf unseren Straßen, die politisch eigentlich gar nicht zusammenpassen.
Isselhorst Der Rektor des Albert-Einstein-Gymnasiums hat berichtet, dass Schüler auf der Fahrt zur Schule in Bus und Bahn beschimpft werden – und niemand greift ein. Dabei tragen sie längst keine Kippa mehr, weil davon abgeraten wurde.

Wieviel Geld haben Sie bereits gesammelt?

Rolshoven: Wir haben bereits 27 000 Euro erreicht und sind sehr dankbar, dass es schon rund 330 Spender gibt. Die Spenden reichen von 50 bis 2000 Euro. Den größten Betrag hat eine muslimische Familie gespendet. Das hat uns sehr gefreut. Unter den vielen Spendern sind zahlreiche bekannte Namen, die Liste reicht von Fortuna-Sportvorstand Klaus Allofs, Uni-Rektorin Anja Steinbeck und Landtagspräsident André Kuper bis zum ehemaligen Eon-Chef Johannes Teyssen und Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke. Wir hoffen, dass sich noch viele Menschen anschließen.

Was genau soll mit dem Geld geschehen?

Isselhorst: Über die Verwendung der Mittel wollen wir mit dem neuen Antisemitismusbeauftragten der Stadt entscheiden. Auch Sebastian Fleermann von der Mahn- und Gedenkstätte und die Jüdische Gemeinde sollen mit am Tisch sitzen. Bei ihr sitzt ja Sabra, die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit und Beratung bei Rassismus und Antisemitismus. Sie kann sicher gute Vorschläge beisteuern. Am wichtigsten ist uns jedoch, dass jeder Einzelne und auch jede Institution in Düsseldorf dem Antisemitismus entgegentritt, wo immer er uns auch begegnet. Dazu rufen wir anlässlich des 27. Januar auf, denn genau an diesem Tag vor 80 Jahren wurde das KZ Auschwitz befreit.

(ujr)