Lehrer, Heimatdichter, NSDAP-Funktionär Grüne wollen Straße umbenennen

Kempen · Die Wilhelm-Grobben-Straße erinnert an einen Mann, der Heimatdichter und Lehrer war, aber auch der rang­höchste Nationalsozialist in Kempen. Die Grünen fordern nun die Umbenennung. 2019 war das schon einmal Thema.

An der Wilhelm-Grobben-Straße klärt ein Zusatzschild über die NS-Vergangenheit Grobbens auf. Der Heimatdichter war Ortsgruppenleiter der NSDAP.

Foto: Norbert Prümen

Soll die Wilhelm-Grobben-Straße in Kempen einen neuen Namen bekommen? Über diese Frage wurde vor Jahren in Kempen schon heftig gestritten. Jetzt bringen die Grünen das Thema erneut auf die Tagesordnung. 2019 hatte ein Kempener Bürger beantragt, die Straße umzubenennen. Der Kempener Stadtrat hatte 1964 beschlossen, zum 20. Todestag Wilhelm Grobbens die Fliederstraße nach Grobben zu benennen, versehen mit einem Erläuterungsschild: „1895–1944, Heimatdichter in Kempener Mundart“.

Aber: Wilhelm Grobben war auch NSDAP-Ortsgruppenleiter, also ranghöchster Nationalsozialist in Kempen. Er war, wie der Kempener Historiker Hans Kaiser darlegte, ein überzeugter Verfechter der nationalsozialistischen Rassenlehre. Als Kreiskulturwart trat Grobben in Vorträgen für die Zwangssterilisierung von Menschen mit Behinderung ein. Grobben war kein Mitläufer, machte Kaiser deutlich. Er halte es für unerträglich, wenn eine Straße weiterhin den Namen eines Mannes mit dieser Gesinnung und solchem Wirken trage, schrieb ein Kempener Bürger 2019 an die Stadt, und bat um Umbenennung.

Grobbens Gedichte sind in
der Stadt immer noch präsent

Zunächst beschäftigte sich der Kulturausschuss des Stadtrats im November 2019 mit dem Thema, beschloss mit knapper Mehrheit die Umbenennung. Im Hauptausschuss votierten schließlich SPD, Grüne, Linke und Freie Wähler mit acht Stimmen für eine Umbenennung, CDU und FDP mit neun Stimmen für einen Kompromiss: den Namen zu lassen, doch mit einem Zusatzschild auf die NSDAP-Vergangenheit des Heimatdichters zu verweisen. So ist seither unter dem Schild „Wilhelm-Grobben-Straße“ zu lesen: „Trotz der Kenntnis um die Vergangenheit Wilhelm Grobbens (1895–1944) als Ortsgruppenleiter der NSDAP (1937/38) und Funktionsträger in der Zeit des Nationalsozialismus beschloss der Rat der Stadt Kempen im Jahre 1964, eine Straße nach Wilhelm Grobben zu benennen. Grund dafür waren seine Verdienste als Lehrer und Heimatdichter.“

Grobbens Gedichte sind in der Stadt immer noch präsent. Zuletzt hatte ein Kempener bei einer Veranstaltung ein Grobben-Gedicht zitieren wollen, dies nach Kritik von Anwesenden aber unterlassen. Der Vorfall zeige, dass es an Sensibilisierung fehle, sagt Nicole Marquardt, Stadtverordnete der Grünen. Deshalb fordere ihre Fraktion jetzt nicht nur die Umbenennung der Straße, sondern auch eine Überarbeitung der Darstellung Grobbens auf der Internetseite der Stadt Kempen. Die Grünen forderten, „dass Grobbens Rolle als Ortsgruppenleiter der NSDAP und Kreiskulturwart sowie seine Propagandaaktivitäten, darunter die Unterstützung der Zwangssterilisierung, klar und unbeschönigt benannt werden“.

Ziel des Antrags sei es, den historischen Kontext kritisch aufzuarbeiten und ein klares Zeichen für eine verantwortungsvolle Erinnerungskultur zu setzen, teilen Marquardt und Fraktionschef Joachim Straeten mit: „Ein Straßenschild ist immer auch eine Ehrung. Es darf keinen Raum für die Verharmlosung von Personen geben, die aktiv Teil des nationalsozialistischen Systems waren.“ Mit ihrem Antrag wollten die Grünen deutlich machen, dass die Stadt Kempen Haltung zeigen müsse. Die relativierende Darstellung Grobbens auf der Internetseite und andere Äußerungen in der öffentlichen Debatte, etwa bei städtischen Veranstaltungen, verdeutlichten aus Sicht der Grünen, das der Umgang mit Grobbens NSDAP-Vergangenheit bis heute nicht ausreichend kritisch erfolge, so Marquardt und Straeten. Wolle man Grobbens dichterisches Werk würdigen, gebe es dafür andere Wege, etwa durch Ausstellungen oder wissenschaftliche Publikationen, so Marquardt, „aber eine Straßenehrung für jemanden, der aktiv das NS-Regime unterstützt hat, ist nicht zeitgemäß und schlichtweg untragbar.“

Gleichzeitig schlagen die Grünen vor, eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die sich mit weiteren belasteten Straßennamen in Kempen auseinandersetzt. Nach dem Vorschlag der Grünen könnten Anwohnerinnen und Anwohner, Schülerinnen und Schüler sowie historisch interessierte Bürgerinnen und Bürger gemeinsam Empfehlungen erarbeiten.

Einen Vorstoß zur Überprüfung von Straßennamen im Stadtgebiet hatte zuletzt die SPD in Kempen unternommen. Sie hatte 2021 beantragt, alle Straßennamen überprüfen zu lassen, die nach Menschen benannt sind, die nach 1870 verstorben sind. Straßennamen würden an Personen verliehen, die Vorbildcharakter hätten. Ihr Name solle eine moralisch-ethische Orientierung bieten und eine politische, soziale, künstlerische oder ökonomische Leistung würdigen, hieß es damals in dem Antrag der SPD. Wiederholt komme es zu Zweifelsfällen, ob die Menschen, nach denen Straßen benannt wurden, diese hohe Ehrung verdienten. Auch mit Blick auf den personellen Aufwand entschied die Politik mehrheitlich, einen Straßennamen nur dann zu überprüfen, wenn es einen konkreten Antrag mit begründetem Verdacht gebe. Zu ihrem Anliegen, die Straßennamen in Kempen zu überprüfen, steht die SPD weiterhin. Entsprechend unterstütze man den aktuellen Antrag der Grünen, versichert SPD-Fraktionsvorsitzender Stefan Kiwitz.