Mobilfunkstandard im Selbstversuch Hallo 5G! Das erste Date mit dem neuen Netz
Düsseldorf · Was kann es denn nun wirklich? Unsere Reporterin testet das auf dem Vodafone-Campus in Düsseldorf, wo 5G schon jetzt allgegenwärtig ist.
„Einmal zum Mond?“, fragt der Herr im dunklen Anzug lächelnd und öffnet die Glastür im 18. Stock. Auf dem Düsseldorfer Vodafone-Campus ist das neue 5G-Netz schon angekommen, der Telekommunikationsriese hat dort seinen ersten echten Mast und im schicken Oberstübchen seines Hochhauses eine Leistungsschau des neuen Mobilfunkstandards aufgebaut. Herzstück ist das abgedunkelte Studio für die virtuelle Mondmission.
Zwei Lederstühle stehen auf grauen Podesten. „Bitte anschnallen“, dirigiert Mitarbeiterin Sugiththa Sabaratnam. Dann kommt die Virtual-Reality-Brille samt Kopfhörern vors Gesicht, ein Joystick in die Hand. Und plötzlich steht man in einem Aufzug, wird in eine große Halle gefahren, dann wiederum in das Cockpit eines Raumschiffs. Es ruckelt, als das Fluggerät Richtung Rampe rollt; als dann der Countdown verklungen ist, legt sich der Sitz schräg nach hinten – ab in die Sterne. Für die Flugangstpatientin ist diese virtuelle Realität schon fast zu real.
Nach kurzem Lichtgeschwindigkeitsflug „landet“ das virtuelle Ich rumpelig auf dem Mond und kann dort über den Joystick so richtig Gas geben. Finger auf den Knopf – und schon beschleunigt das virtuelle Shuttle, prescht hüpfend und bockend über den Boden eines Kraters. Der Blick nach unten beweist: Die Hand hält den Joystick, nur steckt sie in einem Raumanzug. Das Bild, die eigenen Bewegungen, das Beben des Stuhls: Alles passt perfekt zusammen. Echtzeit. Sie ist eine der großen Versprechungen von 5G.
Vodafone-Chef: Das neue Netz ist sicher, schnell und riesengroß
Mit dem neuen Standard, erklärt Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter, werden Informationen so schnell übertragen wie durch die Nerven in unserem Körper. „Es ist das hochentwickeltste, sicherste Netz der Welt.“ Es verliere keine Daten, sei „wesentlich“ sicherer als W-Lan. Und: „5G bringt sehr viel mehr Kapazität“, so Ametsreiter. Das sei bald etwa zu spüren, wenn man mit zigtausend anderen Zuschauern im Fußballstadion sitze und plötzlich Empfang habe, wo sonst mit LTE stete Überlastung herrschte.
Nicht umsonst will Vodafone genau dort eine neue 5G-Spielwiese aufbauen: Ab Beginn der neuen Spielzeit kooperiert das Unternehmen mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und stattet als erstes das Stadion in Wolfsburg mit einem eigenen 5G-Mast aus. Dann soll es eine Echtzeit-App geben: Läuft etwa ein Spieler zum Elfmeter an, kann der Fan seine Handykamera auf ihn richten, bekommt dann automatisch angezeigt, wie hoch die Trefferquote des Schützen ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit er oben rechts oder unten links anvisiert – Infos, die bislang dem TV-Zuschauer vorbehalten blieben. „Ich kann das Erlebnis im Stadion mit digitalen Informationen anreichern“, erklärt Ametsreiter.
Schon in diesem Sommer, so der Unternehmenschef werde das 5G-Netz ausgebaut, im Herbst kämen die entsprechenden Smartphones in die Läden. Schon bald sollen die Preise und Tarife bekanntgegeben werden – die Telekom hatte Anfang Juli vorgelegt, dort soll es 5G-Tarife ab 84,99 Euro geben, das passende Samsung-Handy kostet 800 Euro. Bis der neue Standard flächendeckend verfügbar sei, so Ametsreiter, werde es „viele Jahre dauern“. Immerhin: Bis 2021 will Vodafone 5G zu 20 Millionen Menschen in Deutschland bringen.
Thomas Ziolkowsky hat schon eines der ersten 5G-Handys. Ein Samsung. Er ist bei Vodafone verantwortlich für die Qualifizierung der Endgeräte. Seine Aufgabe ist, dass sie bei den Verbrauchern möglichst fehlerfrei ankommen. Auf dem obersten Deck des Campus-Parkhauses demonstriert er, wie diese den Gewinn von 5G am schnellsten erkennen, wenn sie nicht gleich einen Hollywoodstreifen herunterladen wollen: mit einem Video-Telefonat. Wild hüpft Ziolkowsky auf dem Asphalt herum, winkt mit den Armen – sein Konterfei im Display des schicken, schmalen Telefons ist perfekt synchron mit ihm.
Hinter ihm ragt der erste Vodafone-5G-Mast in den wolkigen Himmel. Er ist der erste Baustein zum schnellen Netz auf dem Campus. „Es werden aber noch weitere 5G-Stationen folgen“, sagt Ziolkowsky. Das ist notwendig, damit das Netz eine weitere Stärke entfalten kann: Die Masten sollen nicht mehr stur in die Gegend strahlen, sondern das Signal immer dorthin geben, wo es gebraucht wird; es folgt dem Nutzer sogar. „Beamforming“ heißt das. „Es ist viel sinnvoller, die Kapazitäten, die man hat, zu bündeln“, erklärt Britta Rudolphi.
Die junge Frau leitet die technische Innovation bei Vodafone und arbeitet somit an „einem der geheimsten Orte“ auf dem Campus: den Testkammern im 5G-Lab. Dort, wo die neuen Smartphones lange vor ihrer offiziellen Präsentation in versiegelten Boxen ankommen und hinter Sicherheitsschleusen in riesigen, mit Schaumstoff ausgekleideten Safes mit eigenen 5G-Minimasten auf Herz und Nieren getestet werden. „Was sind Anwendungen, die mit 5G möglich werden, die 4G noch nicht kann?“, fragen sich Rudolphi und ihr Team. Hier im Lab wird aber auch deutlich, was der Vodafone-Chef meint, wenn er sagt: „Vom 5G-Netz profitiert zu Beginn am meisten die Industrie.“ Wie, mit dieser Frage klopfen jetzt viele Firmen am Campus an. „Man merkt, das Interesse am Markt ist riesig und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Rudolphi.
Diese Kreativität haben die Forscher etwa in zwei kleinen Sandkästen ausgelebt, in denen Spielzeugbagger stehen – vorbei rollt ein bunter Bus. Was nach Kinderkram klingt, soll das sogenannte „Network-Slicing“ im 5G-Netz veranschaulichen. „Das ist wirklich bahnbrechend“, sagt die Leiterin: Ein Bauunternehmer könne sich seine eigene Scheibe vom Mobilfunknetz reservieren und abtrennen. Innerhalb dieser Bandbreite, die nur ihm zur Verfügung steht – selbst wenn der bunte Bus mit einer Schulklasse, die gerade kollektiv Filme streamt, vorbeifährt –, könnte er dann seine Baggerfahrer von der Zentrale aus Fahrzeuge auf mehreren Baustellen fernsteuern lassen. In Zeiten des Fachkräftemangels und Baubooms mehr als eine fixe Idee und bereits im Testbetrieb erprobt. Ebenso wie die Roboterarme im 5G-Lab, die über Mobilfunk vernetzt sind und sich gleichzeitig bewegen lassen.
Prototyp für das, was sich die Vodafone-Kreativen für Industrie und Wirtschaft vorstellen, ist die „Smart Factory“ für die Produktion der Elektroflitzer „e.Go“ in Aachen: Über 36 Mobilfunkmasten sind die Maschinen untereinander vernetzt, kommunizieren miteinander und lernen voneinander. Menschen werden laut Vodafone nicht ersetzt, aber von stressiger Fließbandarbeit entlastet. Wenn ein Produktionsschritt daneben geht, gerät nicht der gesamte Prozess ins Stocken, sondern wird flexibel angepasst. Beim Prototyp wird es nicht bleiben, ist Hannes Ametsreiter sicher: „Es gibt sehr viele Kunden, die sich die Smart Factory gerade anschauen.“ Weder für die deutsche Wirtschaft noch für die Telekommunikationsunternehmen, glaubt er, geht noch ein Weg an 5G vorbei: „Wer jetzt vorne ist, der wird am Markt gewinnen.“