Krankenhäuser in Hilden und Haan Nicht genügend Platz für alle Patienten
Hilden/Haan · „Wir waren mal ein hervorragendes Land mit einem perfekten Gesundheitssystem und einem perfekten Notfallsystem“, sagen Experten. Wie rau der Wind heute weht, haben Hilden und vor allem Haan im letzten Jahr schmerzhaft erfahren müssen.
In Sachen „medizinische Grundversorgung“ haben die Städte Hilden und Haan im vergangenen Jahr ihren ganz persönlichen „heißen Herbst“ erlebt. Als die katholische Kplus-Betreibergruppe plötzlich Insolvenz-Antrag stellte, stand gewissermaßen ohne Vorwarnung die Schließung der Krankenhäuser in beiden Städten im Raum. Dass nicht nur – wie schon länger geplant – die Lukasklinik in Solingen-Ohligs dicht gemacht werden würde, sondern auch die beiden Standorte in Haan und Hilden, löste ein mittleres Erdbeben aus. Denn die Ergebnisse, die dort bis zu diesem Moment erzielt worden waren, galten als durchaus respektabel. Insbesondere Sankt Josef in der Gartenstadt Haan schrieb nicht nur schwarze Zahlen, sondern hatte gerade erst den Bettentrakt saniert. 2020 war dann der neue OP-Trakt mit fünf Sälen in Betrieb genommen worden – ein Millionen-Projekt. So ein Haus schließt man doch nicht. Nicht? Doch!
Der Killer-Nachricht vorausgegangen war die Insolvenz der Kplus-Gruppe und der gescheiterte Versuch, aus eigener Kraft das finanzielle Gleichgewicht zu erreichen. Was alles um diese Entwicklung herum binnen weniger Monate geschah, hat das Zeug zu einem Fernsehfilm im Krimi-Format – bis hin zum Wechsel der gesamten Neurologie inklusive „Stroke Unit“ vom Hildener Sankt-Josefs-Krankenhaus zum städtischen Klinikum Solingen. Und das offenbar entgegen einer zuvor getroffenen Absprache.
Weit über 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor der Entlassung, darunter 150 Auszubildende in der Pflege – diese Aussicht brachte im Oktober die Menschen in Hilden zu Tausenden auf die Straßen, später dann auch in Haan, wo es ein infernalisches Pfeifkonzert gegen NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gab, der eine Einladung zur Demo abgesagt hatte und stattdessen über Bürgermeisterin Bettina Warnecke einen Brief vorlesen ließ.
Wie viel all diese Proteste bewirkt haben, lässt sich heute nicht genau sagen. Die Haaner Schließung haben sie jedenfalls nicht verhindern können, auch wenn inzwischen ein durchaus ernst zu nehmender Versuch im Gange ist, das einstige Krankenhaus-Gelände in einen Gesundheitscampus umzuwandeln.
Mitte Juni 2024 – also etwa ein halbes Jahr nach der Schließung von St. Josef – haben die neuen Besitzer des Areals, die Alexianer aus Münster, der Haaner Politik den Stand der Gespräche über die weitere Nutzung des Geländes vorgestellt. Es wurde jedoch ein eher ernüchternder Vortrag.
Ja, die neu gegründete „Praxisklinik Haan“, initiiert vom seit Langem auf dem Gelände ansässigen Gelenkzentrum Bergisch Land, ist inzwischen erfolgreich in Betrieb – und ihre Betreiber haben viel vor. Niedergelassene Ärzte aus verschiedenen Disziplinen sollen an diesem Standort Patienten operieren, deren Allgemeinzustand keine Einweisung in ein allgemeines Krankenhaus der Maximalversorgung verlangt und die entweder sofort wieder nach Hause können, oder zwei bis drei Tage kurzstationär verbleiben.
Auch die Radiologie-Einrichtung „360 Grad“ bleibt auf dem Krankenhaus-Gelände vertreten. Doch von ihrem in der Ausschusssitzung erneut deutlich angesprochenen Wunsch, „perspektivisch alle Flächen zu vermieten“ scheinen die Alexianer noch ein gutes Stück entfernt zu sein. Dem zentralen Wunsch aus den Reihen der Haaner Politik, eine Notfallambulanz in irgendeiner Form auf dem Klinik-Gelände zu realisieren, erteilte der Geschäftsführer eine klare Absage.
Krankenhausreform des Landes steht vor Herausforderungen
Damit ist der wichtigste Wunsch, wie der Krankenhausverlust in der Vor-Ort-Versorgung aufgefangen werden könnte, geplatzt. CDU-Ratspolitikerin Annette Braun-Kohl, die explizit danach gefragt hatte, erhielt die Antwort, eine solche Ambulanz sei immer mit einem Krankenhausbetrieb verbunden. Und der hat sich in Haan bekanntlich erledigt.
Doch auch Hilden steht vor großen Herausforderungen: Eine davon ist die Krankenhausreform des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Häuser in Hilden und Langenfeld bilden seit dem 1. Januar 2024 gemeinsam die GFO-Kliniken Mettmann-Süd – ein Krankenhaus an zwei Standorten, betrieben von der gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO). NRW drängt mit seinen Reformplänen auf eine Spezialisierung der Krankenhäuser. Nicht mehr überall sollen alle Leistungen angeboten werden. Laut Landesliste muss der Flächenstandort Mettmann-Süd mit keinen größeren Einschnitten rechnen. Weitaus problematischer stellten sich das schon die ersten Auswirkungen der Krankenhaus-Schließungen auf den Rettungsdienst dar: So wurde im Februar dieses Jahres bekannt, dass die Zahl der Rettungseinsätze in Haan, die von Wachen aus anderen Städten übernommen werden müssen, seit der Schließung von St. Josef um mehr als ein Drittel angestiegen war. Kreisweit seien die Rettungswagen mittlerweile 90 Minuten pro Notfall unterwegs, warnte Kreisbrandmeister Torsten Schams.
Mit einem ganzen Maßnahmenpaket hat der Kreis Mettmann inzwischen gegengesteuert: Der Kreistag beschloss unter anderem, drei neue Krankenwagen so rasch wie möglich anzuschaffen. Haan war mit einem „Gebrauchten“ dabei auch erfolgreich. Außerdem, so der Kreistagsentscheid, sollten zwei Fahrzeuge in den Dauerdienst wechseln.
Doch all diese Maßnahmen werden es Experten zufolge nicht schaffen, die Uhr in Richtung erfolgreicher Zeiten der Gesundheitsversorgung zurückzudrehen: „Wir waren mal ein hervorragendes Land mit einem perfekten Schulsystem, mit einem perfekten Gesundheitssystem und einem perfekten Notfallsystem“, sagt der Haaner Medizin-Professor und CDU-Gesundheitsexperte Edwin Bölke. Besonders die Einführung der einheitlichen Notfallnummer sei ein Meilenstein gewesen – „in den 1950er-Jahren gab es das noch nicht“.
Heute allerdings fehle das Geld fürs Gesundheitssystem. Und – was noch viel besorgniserregender sei – es fehlen die Fachkräfte. „Patienten, die bisher ins Haaner Krankenhaus gegangen sind, müssen nun zum nächsten Maximalversorger“, erklärt Bölke. „Der ist in Solingen, in Wuppertal.“ Doch diese Maximalversorger seien nicht entsprechend ausgestattet. „Die kriegen die Patienten nicht mehr unter.“