Vernehmung kurz vor dem Tatabend Behörden hatten mutmaßlichen Cinemaxx-Brandstifter im Blick: Reul verteidigt Polizei

Krefeld · Die Polizei hat den mutmaßlichen Brandstifter aus Krefeld wenige Tage vor der Tat vernommen. Auf Anfragen unserer Redaktion dazu antwortet NRW-Innenminister Herbert Reul.

Kriminalbeamte sicherten vor einer Woche im und am Cinemaxx umfangreiche Spuren.

Foto: dpa/Christoph Reichwein

Der mutmaßliche Kino-Brandstifter von Krefeld hat sich bisher nicht zu den Ereignissen geäußert. Das erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Krefeld unserer Redaktion am Donnerstagmorgen – eine Woche nach dem Abend der mutmaßlichen Brandstiftungen und der Schussabgabe der Polizei im Foyer des Cinemaxx-Kinos am Hauptbahnhof.

Der verdächtige 38-Jährige wurde nach den Angaben der Staatsanwaltschaft am Mittwoch in ein Justizvollzugskrankenhaus verlegt. Der Zustand des in Krefeld lebenden Mannes mit iranischen Wurzeln (mit Pflicht zur regelmäßigen Verlängerung einer Duldung aufgrund unklarer Identität) sei stabil, so die Staatsanwaltschaft weiter.

Viele Fragen bleiben von den Ermittlern weiter unbeantwortet

Viele Fragen unserer Redaktion, unter anderem zu einer zwei Tage vor dem Tatabend durchgeführten Befragung und zum näheren Ablauf vor der polizeilichen Schussabgabe im Foyer des Kinos, ließ die Staatsanwaltschaft mit Verweis auf die andauernden Ermittlungen und den Schutz der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten unbeantwortet.

Klarer wird, dass der 38-Jährige in Krefeld schon in der Vergangenheit für Probleme sorgte, vor mehreren Jahren und auch kurze Zeit vor den jüngsten Geschehnissen: Aus einer am Mittwoch veröffentlichen Darstellung der Stadt Krefeld ging unter anderem hervor, dass der Tatverdächtige am 13. September Mitarbeitende des Ausländeramts bedrohte und am selben Tag der Polizei für das landesweite Programm PeRiskoP gemeldet wurde (siehe Kasten).

Innenminister Herbert Reul betont auf WZ-Anfrage: „PeRiskoP ist keine Festnahmeeinheit. Wir wollen mit diesem einmaligen Konzept Personengruppen mit psychischen Störungen besser in den Blick nehmen – unter Berücksichtigung des strengen Datenschutzes.“ Darüber hinaus sagt er: „Die Polizei tut alles Menschenmögliche, um Gefahren abzuwenden, wir nutzen jede Möglichkeit, die rechtlich zur Verfügung steht. Ich lasse meine Leute in Ruhe arbeiten und aufklären, und dann können wir über alle weiteren Fragen sprechen. Diese Zeit muss man den Ermittlern aber schon geben.“ Trotz des Konzeptes, so das NRW-Innenministerium, könne eine Situation entstehen, in der eine Person in einer Kurzschlussreaktion schwere Straftaten begehe.

Fragen zum Ablauf und Ergebnis darauffolgender Maßnahmen (Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigung und Befragung zwei Tage vor dem Tatabend) werden mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen unbeantwortet gelassen. Darunter auch die Frage, ob nach bisheriger Einschätzung die Durchsuchung und die Befragung einen negativen Einfluss auf den Mann gehabt haben könnten. Unklar bleibt auch, wann und in welcher Form die Polizei auf den Verdächtigen aufmerksam wurde, nachdem er mutmaßlich seine Wohnung, ein Fahrzeug der Caritas-Drogenhilfe (beide an der Schwertstraße) und ein Büro der Agentur für Arbeit (Philadelphiastraße) in Brand gesetzt hatte. Der direkte Weg zum Kino hätte an der Hansawache vorbeigeführt.

Die Schussabgabe der Polizei wird durch die Staatsanwaltschaft untersucht. Weitere Fragen zur Verletzung des Verdächtigen, zur Anzahl der Schüsse, zu den weiteren Ermittlungen in Bezug auf die Brandstiftungen und einer möglichen Zusammenarbeit mit den Behörden in Frankreich bleiben ebenfalls unklar.

Dass Presseanfragen zu laufenden Ermittlungen unbeantwortet bleiben, ist nicht ungewöhnlich. Oft wird dabei von „ermittlungstaktischen Gründen“ gesprochen. Darunter fällt mögliches „Täterwissen“. „Das sind bestimmte Informationen zur Tat, die jemand nur dann haben kann, wenn er selbst der Täter ist“, erklärte Andreas Séché, Sprecher der Polizei in Krefeld. Auch mit Blick auf einen möglichen Prozess müssen die Behörden das abwägen. „Da wir nicht ausschließen können, dass die Beantwortung von Detailfragen die laufenden Ermittlungen gefährden könnte, können derzeit Einzelheiten dazu nicht bekannt gegeben werden“, so Oberstaatsanwältin Anna Stelmaszczyk, Leiterin der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Krefeld.

Mann war wohl Grund für den Einsatz des Sicherheitsdienstes

Klar scheint mittlerweile auch: Der Mann war 2014 maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Stadt Krefeld im Rathaus und im Verwaltungsgebäude am Hauptbahnhof einen Sicherheitsdienst einsetzte. Einen konkreten Anlass nannte ein Stadtsprecher dafür damals nicht. Die Beschäftigung der Wachleute begann aber zu einem Zeitpunkt, zu dem der 2010 verurteilte Iraner aus der Haft entlassen worden war.

Seinerzeit hatte der Mann trotz Hausverbot der Behörde zwei Menschen verletzt. Er war in ein Dienstzimmer gekommen und hatte lautstark ein Ticket 2000 gefordert. Stadtbeschäftigte kamen hinzu, die er mit einem Taschenmesser bedrohte. Einem damals 50 Jahre alten Mitarbeiter warf er einen Schlüsselkasten an den Kopf, ein zweiter Mann wurde von einem Tacker getroffen. Erst als Polizeibeamte Pfefferspray einsetzten, konnte der Mann gebändigt werden. Er hatte in den Wochen zuvor schon einmal randaliert, Mitarbeiter des Ordnungsamtes beschimpft und ihnen mit einer Schießerei gedroht. Nachdem er in eine psychiatrische Klinik gekommen war, versuchte er dort, eine Patientin zu vergewaltigen. Das Landgericht verurteilte ihn zu viereinhalb Jahren Haft. Ein Sachverständiger hatte zuvor erklärt, der Mann sei voll schuldfähig. Sollte er noch einmal ins Rathaus müssen, dann nur mit Polizeibegleitung, so eine damalige Auflage.

Der Iraner verließ jedoch, so die Stadt, 2014 Krefeld in unbekannte Richtung und tauchte erst im April 2024 wieder auf. Daraufhin seien mehrere Sicherheitsmaßnahmen in Kraft getreten. Die Sicherheitsdienste an den entsprechenden Verwaltungsstandorten seien intensiviert, Hausverbote erteilt worden. Die Beschäftigten der Stadt, die schon damals mit dem Mann zu tun hatten, erhielten aus dem Rathaus ein Schreiben über eine Auskunftssperre im Melderegister, das ihrem Schutz dienen sollte. Zudem hätten OB Frank Meyer und Stadtdirektor Markus Schön den noch bei der Stadt tätigen Mitarbeitenden von damals unterstützende Maßnahmen angeboten.