Friedhof Erholung zwischen den Gräbern

Mit 54 Hektar ist der fast 150 Jahre alte Hauptfriedhof Krefelds größter Park. Viele Besucher spazieren zwischen den Gräbern.

Foto: Archiv Andreas Bischof

Krefeld. Das Prachtexemplar steht im Eingangsbereich des Hauptfriedhofs: Eine Kastanie, rund 35 Meter hoch, geschätzt über 160 Jahre alt, gepflanzt etwa um 1850. „Das wird wohl die letzte Kastanie sein, die wir in Krefeld eines Tages bewundern können“, sagt Heiko Ratajczak etwas wehmütig. Er ist als Baumpfleger für alle 3660 Gehölze auf den elf Krefelder Friedhöfen verantwortlich.

Während aber die Bestände am Straßenrand und in anderen Parks von Krankheiten, Abgasen oder vom Klimawandel dahingerafft werden, hat der Baum an der Heideckstraße beste Überlebenschancen, zumal er Ratajczaks besonderer Pflege unterliegt.

Der große Friedhof hat aber noch mehr zu bieten. Zunehmend gewinnt er Bedeutung als Naherholungspark, und das gilt in unterschiedlicher Intensität für alle elf Anlagen der Stadt.

Wo die Reize des Parks an der Heideckstraße liegen, erläutert die Friedhofs-Chefin der Stadt, Heike Blondin, bei einer Rundfahrt mit dem Friedhofsmobil, einem ehemaligen Golf-Caddy, das seit knapp sechs Jahren allen Besuchern auf Anfrage zur Verfügung steht.

Der fast 150 Jahre alte Krefelder Hauptfriedhof ist mit einer Fläche von 54 Hektar der größte Krefelder Friedhof. Er besteht aus zwei Teilen, dem sogenannten alten (östlich der Heideckstraße) und dem neuen Teil. Jährlich werden etwa 800 Menschen beigesetzt, 320 im Sarg und 480 in einer Urne.

Auf dem alten Teil sind Grabanlagen vieler bekannter Krefelder Familien. Auf Grabsteinen findet man de Greiff, von der Leyen, Rhodius, Floh, Deuß, Sohmann, Cattepoel und Brües. Dazu gehören auch die Grabflächen für die Bombenopfer, die Zwangsarbeiter und der jüdische Friedhof. „Wie viele Besucher kommen, wissen wir nicht, es gibt ja keine Einlasskontrollen“, sagt Heike Blondin. Besonders an Wochenenden würde die Zahl aber steigen — auch mit negativen Folgen: Hunde, ausgenommen Blindenhunde, sind laut Friedhofssatzung nicht zugelassen. „Aber wir merken an den Hinterlassenschaften, dass sich viele Besucher nicht daran halten“, sagt Blondin seufzend.

Nicht nur wegen der Sauberkeit. Der Friedenspark sei Rückzugsort für viele Tiere, sagt Heiko Ratajczak, als wir eine prächtige, rund 100 Jahre alte Zypressenallee passieren: „Viele Spechte gibt es, Uhus, Salamander, Enten, Eichhörnchen, Maulwürfe und natürlich auch viele Katzen.“ Auch Rehe sind in anderen Anlagen schon gesichtet worden.

Unter den rund 100 Baumarten ist eine mehr als 200 Jahre alte Buche, die ebenfalls unter besonderer Pflege von Ratajczak steht. Die aber ist kompliziert. Mit dem Höhensteiger ist dem Baum nicht mehr beizukommen. Deshalb müssen städtische Baumkletterer ran, wenn der Baum beschnitten werden muss. Zwei dieser Experten stehen auf der Gehaltsliste des Fachbereichs Grünflächen.

Ein wenig resigniert wirkt Heike Blondin, als sie im nordöstlichen Bereich das Krematorium passiert. Fast genau 100 Jahre nach dem Baubeschluss des Stadtrates wurde das Krematorium 2011 offiziell stillgelegt. Ursache war eingetretenes Grundwasser, das die Technik lahmgelegt hatte. Seither wird das Wasser von mehreren Pumpen abgesaugt. Wartungskosten pro Jahr: 35 000 Euro. Ursprünglich sollte die Einäscherungstechnik verkauft werden, aber dafür fand sich kein Interessent.

Inzwischen hat der städtische Gebäudeservice ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, das die Möglichkeit prüft, das Gebäude künftig als Kolumbarium zur Aufbewahrung von Urnen oder Särgen zu nutzen.

Über die beeindruckende Ahornallee surrt das Mobilchen zurück zum Haupteingang an der Heideckstraße — und zu Heike Blondins Arbeitsplatz: In den unter Denkmalschutz stehenden Torhäusern arbeitet ihre Abteilung.