Ankommen in Krefeld Mit dem Kopf kämpfen — nicht mit Waffen

Ervis aus Albanien spricht über Gewalt und Korruption in seinem Heimatland. Vor allem seine Kinder sollen es in hier besser haben.

Ankommen in Krefeld: Mit dem Kopf kämpfen — nicht mit Waffen
Foto: Duddek/Maaßen/Streyl

Krefeld. Ervis ist ein positiver Mensch. Sein gewinnendes Lachen steckt an. Obwohl er erlebt hat, wie sein Vater bedroht, sein Onkel getötet wurde, wie Gewalt und Korruption sein Land fest im Griff haben. Und obwohl er nicht weiß, wie es nun weitergeht. Denn Ervis kommt aus Albanien, das gilt als sicheres Herkunftsland. Der 26-Jährige kommt aus der Nähe der Hauptstadt Tirana. Dort hat er Gärtner gelernt, hatte ein Feld mit Obst und Gemüse, aber davon konnte er nicht leben. Zwei Jahre hat er sein Glück in Griechenland versucht. Dann kam die Sache mit seinem Onkel: „Wir wissen, wer ihn getötet hat, aber die Polizei interessiert das nicht. Keiner ist verhaftet worden.“ Auch sein Vater sei vor seinem Tod bedroht worden, sagt Ervis. Da wollte er weg.

Im Juli hat sich Ervis mit seiner Frau und den beiden kleinen Kindern — zwei Jungs, ein und zweieinhalb Jahre alt — aufgemacht, ist nach Köln geflogen. Über Stationen in Aachen und Bonn ist er im September in Krefeld angekommen. Hier hat die junge Familie mittlerweile eine kleine Wohnung. Fragt man den jungen Mann nach der Situation in seinem Heimatland, spricht er von Bürgerkrieg. Dabei gehe es nicht um Grenzen oder Religion: „Die Regierung ist das Problem“, sagt Ervis, „sie bedrohten Eltern mit Kalaschnikows und nehmen ihnen die Töchter weg, um sie als Prostituierte nach Italien oder Deutschland zu bringen.“ Er sei froh, dass er keine Schwester habe. Und jetzt, wo er verheiratet sei, könne er die Gefühle der Eltern noch besser nachvollziehen.

Alles laufe in Albanien nur über Druck und Gewalt. Ervis möchte lieber mit dem Kopf als mit Fäusten oder Waffen kämpfen. Zuerst will er so schnell wie möglich die Sprache lernen. Das klappt schon gut, ein Teil des Interviews führen wir auf Deutsch. „Ich lerne Sprachen schnell, kann Englisch, Griechisch und Albanisch“, sagt er selbstbewusst.

Ervis möchte sich entwickeln, die Traditionen und die Kultur der Deutschen besser verstehen lernen, eine bessere Arbeit finden. Und vor allem will er, dass seine beiden Söhne es besser haben: „Ich wünsche mir, dass sie Deutsche werden, gute Noten bekommen, dass sie besser und sicherer aufwachsen. Sie sind noch klein, werden schnell lernen.“

Deshalb möchte er hierbleiben, zumindest so lange, bis die Situation zu Hause friedlicher geworden ist. Das wird nach seiner Einschätzung bestimmt noch zehn Jahre dauern. „Hier ist es ruhig, hier kann man zu sich selbst finden. Alles läuft von alleine. Keiner bedrängt dich, keiner schreit dich an. Die Deutschen entschuldigen sich sogar, wenn sie einen aus Versehen anrempeln, das habe ich noch nie erlebt.“

Ganz im Gegensatz zu seiner Heimat, wie er berichtet: „In Albanien kommen sie und zerstören deinen Strom- und Wasserzähler, behaupten dann, du hättest sie kaputtgemacht und verlangen Geld. Ich habe ein Jahr ohne Wasser gelebt und zwei Monate ohne Strom. Das geht doch nicht mit kleinen Kindern.“ Mancher in der Nachbarschaft habe Selbstmord begangen, weil er nicht bezahlen konnte und den Druck nicht mehr ausgehalten habe, erzählt Ervis.

Vermisst er denn gar nichts aus seiner Heimat? Doch, die Mutter. „Um meine fünf Brüder mache ich mir nicht so viele Sorgen. Die sind stark, die verteidigen sich besser als ich“, sagt er mit seinem gewinnenden Lachen.