Gewalt in der Ehe ist keine Privatsache

Im ersten Halbjahr hat der Sozialdienst katholischer Frauen 150 Opfer beraten. Vor allem Kinder leiden unter den Übergriffen.

Krefeld. Ein Tabu bröckelt: Statt beschwichtigend von Familienstreitigkeiten oder nächtlicher Ruhestörung sprechen Betroffene immer häufiger bei ihren Hilferufen von Gewalt in der Partnerschaft oder der Familie. Die Zahl der Krefelder wächst, die sich bei der Fachberatungsstelle "Häusliche Gewalt" des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) selbst melden. 25 sind das allein in den ersten sechs Monaten diesen Jahres gewesen. Durch die Vermittlung der Polizei oder anderer Beratungsstellen waren es im selben Zeitraum insgesamt 150 Opfer.

"Verschärfend kommt hinzu, dass in 50 bis 60 Prozent aller von der Polizei übermittelten Fälle Kinder als Zeugen der Gewalt in den eigenen vier Wänden anwesend waren", berichtet SkF-Geschäftsführerin Tanja Himer. In einem jetzt vorgelegten neuen Bericht verweist sie auf verschiedene Studien. Danach würden Kinder, die Misshandlungen miterleben, dieses Verhalten lernen und übernehmen. Sie entwickelten eine Akzeptanz für den Gebrauch von Gewalt als Lösung von familiären Konflikten.

Ziel der Fachberatungsstelle ist es, weitere Übergriffe zu verhindern. Himer: "Wir helfen Opfern und deren Kindern sich aus der gewaltgeprägten Beziehung zu lösen." Besonders bei jungen Menschen, die Brutalität miterleben mussten, könnten Verhaltensstörungen und emotionale Probleme als Folge auftreten. Doch auch erwachsene Opfer würden lange unter den unterschiedlichen Formen von Gewalt und dem damit verbundenen Gefühl des Ausgeliefertseins leiden.

Durch das am 1.Januar 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz ist in Deutschland eine Grundlage geschaffen worden, wirksamer gegen häusliche Übergriffe vorzugehen. Die Polizei kann ein gewalttätiges Familienmitglied bis zu zehn Tage der Wohnung verweisen.

Das Gesetz ist geschlechtsneutral und richtet sich an alle Betroffene, unabhängig von Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit und Konfession. "Längst ist es nicht mehr nur der brutale Ehemann, vor dem die Ehefrau Schutz sucht." Laut der Fachstelle sind es inzwischen auch Frauen, ältere Kinder oder pflegende Angehörige, die gewalttätig werden - durch alle sozialen Schichten hindurch.

Das fange an beim Ignorieren des Anderen, gehe über Demütigungen, Beleidigungen und Einschüchterungen sowie psychische, physische und sexuelle Misshandlungen bis hin zu Vergewaltigungen und Tötungen im Extremfall.

Seit Öffnung der Anlaufstelle vor zweieinhalb Jahren wurden mehr als 781 Betroffene beraten. "Durch unsere starke Vernetzung mit anderen Institutionen kann in Krefeld den Opfern von häuslicher Gewalt ebenso wie Opfern von Stalking eine schnelle professionelle Hilfe angeboten werden", erklärt Tanja Himer.

Trotz der steigenden Zahlen läuft die Finanzierung der Beratungsstelle zum Ende des Jahres aus. Tanja Himer: "Es finden derzeit Gespräche statt, um eine Weiterfinanzierung zu ermöglichen." Ob dies gelingt, sei derzeit allerdings noch offen.