Wirtschaft Keksfabrik Gruyters startet durch

Nach dem Antrag auf Insolvenz und nach der Rettung 2016 sind viele Anlagen ersetzt und die Hallen fast komplett saniert. Die neuen Besitzer haben bisher 600 000 Euro investiert.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. 900 Tonnen Waffelröllchen, Mürbe-Ringe, Rügentaler oder auch Krefelder-Schnitten sind im vergangenen Jahr in der Krefelder Keksfabrik Wilhelm Gruyters produziert worden. Das vor allem für einzeln verpacktes Gebäck als Kaffeebeilage zum Beispiel in der Gastronomie bekannte Unternehmen könnte eigentlich tausend Tonnen schaffen — und da wollen die neuen Besitzer auch wieder hin oder sogar darüber hinaus.

Aber gerade im vergangenen Jahr sind zahlreiche Maschinen und andere Anlagen in den Hallen an der Tannenstraße ersetzt und große Teile von Böden und Wänden saniert worden. „Da mussten wir die Produktion auch mal ruhen lassen“, erklärt Karl-Heinz Maneke die hundert Tonnen Unterschied. So musste etwa aus einem der Öfen das alte Dämmmaterial geholt und neues „gestopft“ werden. „Das hat 45 000 Euro und fünf Tage Produktionsausfallbedeutet“, sagt der 68-Jährige.

Er und sein Partner Peter Rinsch (55) haben in den vergangenen Monaten rund 600 000 Euro in das Gebäude und die Ausstattung gesteckt, um die 2016 vor der Insolvenz stehende Traditionsfirma nicht nur zu retten, sondern zukunftsfähig zu machen.

„Das Gebäude war in einem schlechten Zustand“, sagt Maneke und ergänzt, „wir haben beim Kauf manches nicht gesehen.“ Allein alle Leitungen zu ersetzen und das Dach zu reparieren habe bisher zwischen 150 000 und 200 000 Euro gekostet, berichtet Maneke. Vieles, wie das Fliesen von Wänden und Gießen neuer Estrichböden, sei nötig gewesen, um die geltenden gesetzlichen Vorschriften in der Lebensmittelindustrie zu erfüllen. Und kostete mehr als 100 000 Euro.

Neue Sozialräume, Umkleiden, Teeküche, Toiletten - statt der aus den 1960er-Jahren — einerseits sind der Düsseldorfer Maneke und der Kempener Rinsch stolz auf das, was schon geschafft ist. Andererseits ist das Ende noch nicht erreicht. In dieser Woche wurde das neue Mehlsilo angeliefert. In den metallenen Speicher passen 18 Tonnen. Im alten „Kindersilo“, wie Maneke es scherzhaft nennt, konnten bisher gerade acht Tonnen gelagert werden. Mit neuem Boden und neuen Leitungen in die Produktion kostet allein dieser Posten 60 000 Euro.

Allein aus den Gruyters-Einnahmen wären solche Summen nicht zu stemmen, berichtet das Duo. Vieles wird „querfinanziert“. So gehören die Schokoladentanks, mit denen an der Tannenstraße das Gebäck „schokoliert“ wird, wie es heißt, zum Beispiel der Rinsch Edelstahlverarbeitung GmbH, also Peter Rinsch. Seine Kempener Firma beliefert alle großen Schokoladen- und Kekshersteller. In wenigen Wochen gehört ihm auch noch ein 200 000 Euro teurer Kühltunnel für schokolierte Plätzchen.

Maneke ist eigentlich Geschäftsführer der Düsseldorfer Firma Addon GmbH, die als Technischer Dienstleister, Druckvorstufenhersteller und Werbeagentur für Kunden wie Post, Citroën und große Energieversorger arbeitet. Nun ist er unter anderem auch Besitzer einer Keksverpackungsstraße. Dass Gruyters zum Verkauf stand, „weil sich Helwig Gruyters mit einem Standortwechsel nach Großröhrsdorf übernommen hatte“, habe er vor vier Jahren von seinem Badminton-Freund Rinsch erfahren. „Ich wollte gerne etwas mit einem anfassbaren Produkt machen“, blickt Maneke zurück. Damals sah er das vielleicht ein bisschen „wie ein Hobby“. Heute sagt er das eher ironisch.

Seine Frau Angela hatte ihm damals abgeraten. „Weil wir keine Erfahrung in der Branche hatten“, sagt die 54-Jährige. Seit drei Jahren ist die Kauffrau, die bei Karstadt lernte und zuletzt mit ihrem Mann bei Addon arbeitete, zehn bis zwölf Stunden im Krefelder Feingebäck-Betrieb. „Mit der Technik kenne ich mich jetzt aus, stehe auch mal am Band“, erzählt sie. Eines ihrer wichtigsten Projekte derzeit sind allerdings Gespräche mit der Versicherung. Sturm Friedrike hatte im Januar einen Baum vom Nachbargrundstück aufs Dach des Unternehmens geworfen. Die Reparatur wird die Versicherung auch bezahlen. Allerdings muss eine Lösung gefunden werden, damit die 48 Gruyters-Mitarbeiter weiterarbeiten können, wenn die Handwerker anrücken.

Karl-Heinz Maneke und Peter Rinsch kauften die Krefelder Großbäckerei Wilhelm Gruyters im Oktober 2014. Foto: Addon Technical Solutions GmbH

„Wir stehen hier voll im Risiko“, sagen die Partner, die sich noch kein Gehalt auszahlen. Aber den ersten Gewinn wollen die Gruyters-Chefs, deren Bilanz für 2017 einen Umsatz von rund vier Millionen Euro aufweist, noch in diesem Jahr machen. Wenn die IFS-Zertifizierung erreicht ist. IFS steht für International Food Standard, also internationaler Lebensmittelstandard. Dafür werden beispielsweise noch weitere Böden und Wände des Gebäudes, das vermutlich rund 90 Jahre alt ist, neu gemacht, Zwischentüren ersetzt, der Hof gepflastert und überdacht und vieles mehr.

Dann kann Gruyters zum Beispiel auch für die Firma Conrad Schulte Feingebäck aus Rietberg backen. Schulte ist derzeit Kooperationspartner im Bereich Vertrieb. Die Gruyters-Ware wird in großen Teilen bei Schulte gelagert und von dort auf den gleichen Lkw zu den vielen gemeinsamen Kunden der beiden Firmen geliefert. Diese 2016 in die Wege geleiteten Synergieeffekte gehörten zu den Punkten, die die Gläubigerversammlung vor zwei Jahren überzeugten und das Insolvenzproblem lösten. „Ohne Schulte hätte es keine Fortführung von Gruyters gegeben“, sagt Maneke über das Unternehmen mit 65 Millionen Jahresumsatz.