Ärzte für die Dritte Welt „Doc Otto“: 35 Jahre lang im Einsatz für Leprakranke und Arme

Krefeld · Dr. Otto Paulitschek wird am Samstag 100 Jahre. Kein Grund für den Initiator der „Hilfe für Tondo“ aufzuhören.

Sprechstunde mit „Doc Otto“ in Tondo, einem Armenviertel Manilas.

Foto: Otto Paulitschek

Die Gelenke machen nicht mehr so mit, wie Dr. Otto Paulitschek es gerne hätte. Doch sein Geist und Tatendrang sind auch kurz vor seinem runden hohen Geburtstag ungebremst. Der jahrzehntelange Chefarzt der chirurgischen Klinik am Krankenhaus Maria Hilf und gläubige Katholik startete mit Eintritt in das Pensionsalter 1984 noch einmal so richtig durch und engagiert sich seither unermüdlich bei den „German Doctors“ (bis 2013 noch „Ärzte für die Dritte Welt“) für die Ärmsten in den Elendsquartieren Manilas. 26-mal war er seither auf den Philippinen, um dort Lepra-Kranke und Tuberkulose-Patienten zu behandeln. Zusammengerechnet dreieinhalb Jahre. „Ehrenamtlich und stets auf eigene Kosten“, betont Paulitschek. Auch wenn er das letzte Mal vor fünf Jahren dort gewesen ist und nicht mehr medizinisch arbeitet, sammelt er doch weiterhin Spenden für seine zahlreichen Projekte vor Ort. Am Samstag wird er 100 Jahre alt.

„Krefelder Hilfe für Tondo“
statt bequemer Pensionierung

Auch nach seiner Pensionierung wollte er sich für die Gesellschaft weiter einsetzen. „Ursprünglich an der Seite von Mutter Theresa, aber die Stelle war für zwei Jahre schon besetzt“, erinnert er sich. Der Gründer des Komitees „Ärzte für die Dritte Welt“, Pater Bernhard Ehlen, schlug ihm die Philippinen vor. „Dort habe ich mich festgebissen“, sagt er. Dabei wollte er nach den ersten beiden Einsätzen in Manilas Armenvierteln zunächst nicht mehr dorthin zurück. Zu groß war die Diskrepanz zwischen der medizinischen Versorgung hier in Deutschland und der Situation dort vor Ort. Vor allem die aussätzigen Lepra-Kranken vegetierten dort vor sich hin. Statt sich umzudrehen und es sich in Deutschland bequem zu machen, hat der frühere Chefarzt die „Krefelder Hilfe für Tondo“ gegründet. Ganz in der Nähe des damals berühmten und später geschlossenen Müllbergs im gleichnamigen Armutsviertel am Rande Manilas.

Am 10. August 1919 im niederschlesischen Dorf Tscherbeney (heute polnisch Czermna) geboren, studierte er in Breslau Medizin, unterbrochen durch Kriegseinsätze als junger Soldat, ehe er als Heimatvertriebener in Göttingen sein Studium abschloss. Im August 1947 heiratete er seine große Liebe Elisabeth. Eine Ehe, aus der zwischen 1948 und 1959 zwei Töchter und drei Söhne hervorgegangen sind. 1959 nahm er die Chefarztstelle am Maria-Hilf an. Heutzutage zählen zwölf Enkelkinder und fünf Urenkel zur Familie. Seine Frau Elisabeth ist 2008 gestorben. Ihr ist er noch heute dankbar dafür, dass sie ihn teils monatelang hat verreisen lassen, um anderen helfen zu können. „Sie hat meine Abwesenheit tapfer ertragen.“

Seine Arbeit und sein Engagement dort waren nicht ungefährlich. „Die Philippinen zählten damals zu den korruptesten Ländern der Welt“, erinnert er sich – und jeder habe die Hand aufgehalten, wenn er einen neuen Container mit Hilfsgütern persönlich ins Land bringen wollte. „Nur ein einziges Mal, ganz am Anfang, habe ich Schmiergeld bezahlt, danach nie mehr, schließlich wollte ich, dass das gespendete Geld in Gänze auch bei den Hilfe benötigenden Menschen ankam“, erzählt der 99-Jährige.

Mehrere Millionen Euro habe er in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt gesammelt. Für diese Unterstützung ist er sehr dankbar. Mit den Geld- und Sachspenden hat er eine Menge aufgebaut und bewirkt. Finanziert worden ist eine Anti-Tuberkulose-Aktion mit 2200 Behandlungsplätzen. Neun massive Häuser (Gemeinde- und Gesundheitszentren, Schulen und Pflegehäuser) wurden errichtet und zum Teil erweitert. Im Lepra-Dorf Tala ist die Station im Hospital von 16 auf 30 Plätze vergrößert worden.

Trotz seines hohen Alters und schwindender Kräfte hat Otto Paulitschek neue Projekte angestoßen. Seit zwei Jahren läuft in Tala die Lepra-Senioren-Hilfe. 90 vereinsamte alte Menschen bekommen frisches Obst und wöchentlich zweimal Mittagessen. In der benachbarten Slum-Pfarrei Bagong Silang erhalten 1300 Erstklässler täglich vor dem Unterricht einen Becher Milch. Im Rahmen der Seuchenbekämpfung sind für die Ureinwohner auf den Philippinen, den Mangyanen, vier Brunnen gebaut worden, die sie mit frischem Wasser versorgen. Dass das gespendete Geld auch dort ankommt, dafür sorgen seine beiden Vertrauensleute vor Ort, die beiden Pater Ewald Dinter und Harald Adler.

Seinen 100. Geburtstag feiert Otto Paulitschek im Kreise seiner Familie. Was er sich wünscht? Dass er noch eine Weile fit bleibt, um seine Hilfsprojekte finanziell abzusichern.