Klassiker-Abend: Othello und die grausame Reue

Ein packender Klassiker-Abend mit gut aufgelegten Schauspielern.

Krefeld/Mönchengladbach. Dieser "Othello" übermittelt eine Botschaft, und das Publikum hat sie verstanden. Sie lautet: Fürchtet euch nicht. Denn das Unbehagen, das jeden Umbruch begleitet, ist am Theater Krefeld-Mönchengladbach fehl am Platz. Auch unter dem neuen Intendanten Michael Grosse steht leidenschaftliches Handwerk auf dem Spielplan, nicht Selbstverwirklichung auf Kosten der Zuschauer.

14 Jahre lang hat Jens Pesel das Haus auf diese Weise erfolgreich geführt. Sein Nachfolger trat vom ersten Tag an besonnen auf, nicht als Visionär, sondern als geschickter Kommunikator, der sogar die dem Sparwahn verfallene Politik zur Räson brachte. Grosse versprach Kontinuität - und hat gleich mit seiner ersten Premiere am Freitag Wort gehalten.

Shakespeares "Othello", inszeniert vom neuen Schauspieldirektor Matthias Gehrt, ist ein packender Abend, getragen von zwei Darstellern, an denen das Publikum noch viel Freude haben wird. Daniel Minetti gibt mit seinem Mohren einen famosen Einstand.

Sein Wandel vom sorglosen Draufgänger zum innerlich zerfressenen Mörder wäre noch als Stummfilm bewegend, so kraftvoll ist seine Körpersprache. Sein Gesicht vergraben unter den Haaren der toten Desdemona (Felicitas Breest), wird er zum Sinnbild einer grausamen Reue: Die schlimmsten Fehler sind die, die nicht wieder gutzumachen sind.

Bruno Winzen als sein Widersacher Jago verwandelt sich in einem Wimpernschlag vom jovialen Freund zum säuselnden Intriganten. Immer wieder macht er die Zuschauer zu Verbündeten gegen den "Nigger".

Die äußerst effektive Maske - pechschwarze Schminke bei Othello, gleißendes Weiß bei Jago - verstärkt das Gefühl der Gegensätze. Das Fremde tritt unübersehbar hervor. Lange Schatten und ein loderndes Feuer verwandeln die Bühne (Gabriele Trinczek) in ein Horrorkabinett menschlicher Boshaftigkeit.

Ganz hinten spielt ein einzelner Mann Billard. Wenn er die Kugeln kollidieren lässt, ahnt man Jagos mathematische Präzision und die Unaufhaltsamkeit seines Plans. Matthias Gehrt gelingt mit solchen Ideen keine spektakulär neue Sichtweise, doch seine Bilder sind stimmig.

Seine vielleicht mutigste Entscheidung ist die Wahl einer modernen Übersetzung, die bei aller Flapsigkeit erstaunlich poetisch klingt. Anfangs spürt man nach in den Raum geschleuderten Schimpfwörtern leichte Irritation im Publikum, doch die verfliegt. Den ersten Akt spielen die Darsteller in den Zuschauerrängen. Sie sind angekommen - und gleich mittendrin.