Jahrgangsbester Mohamad hat es geschafft
Krefeld · Fünf Jahre nach Merkels „Wir schaffen das“: Der 2016 im Alter von 25 Jahren aus Syrien geflüchtete ist Jahrgangsbester in Zerspanungstechnik.
„Wir schaffen das“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor fünf Jahren. Und meinte mit „Wir“ die Deutschen, die die Ankunft der zahlreichen syrischen Flüchtlinge zunächst euphorisch, dann aber auch kritisch beäugten. Zu dem „Wir“ gehören mittlerweile längst auch die Geflüchteten selbst. Einer von ihnen, ein Neu-Krefelder, hat es tatsächlich geschafft: Der 2016 im Alter von 25 Jahren aus Syrien geflüchtete Mohamad S. hat im IHK-Bezirk als Jahrgangsbester im Bereich Zerspanungstechnik/Fräsen mit „Sehr Gut“ abgeschnitten.
In flüssigem Deutsch beschreibt der junge Mann, dessen Nachnamen wir mit Rücksicht auf seine in Syrien zurückgebliebenen Eltern abkürzen, was er im praktischen Teil der Prüfung unter anderem abliefern musste. Da habe er eine technische Zeichnung vorgelegt bekommen, auf der das von ihm zu fräsende Teil abgebildet war. Mit allen wesentlichen Angaben – der Oberfläche und Dimensionierung etc. Nach einer vorgegebenen Zeit musste aus dem Rohmaterial das geforderte Teil fertiggestellt sein. Unter Bedienung einer höchst komplexen Maschine: Auf der CNC-gesteuerten Fräsmaschine (CNC steht für Computerized Numerical Control) zum Herstellen von Baukomponenten schreibt der Anwender Programme. Damit wird der Maschine genau vorgegeben, mit welchem Werkzeug an welcher Stelle und auf welche Weise das Werkstück abgefahren und geformt werden soll.
Die Flucht, das Leben und die Kontakte in die Heimat
Mohamad S. hat all das bei dem Krefelder Ausbildungsbetrieb MEK (Metalle & Elektro Kammen) gelernt. Juniorchef Tim Kammen ist begeistert von seinem Mitarbeiter: Dass er es geschafft hat, sich „in so kurzer Zeit in unser System zu integrieren, das ist eine ganz klasse Leistung von ihm persönlich als Mensch. Und ich freue mich auch, dass wir als Ausbildungsbetrieb daran mitwirken konnten.“ Seniorchef Heinz-Friedrich Kammen griff nach der von Mohamad S. im Juli beendeten zweijährigen Ausbildung denn auch sogleich zu. „Wir haben Herrn S. übernommen, seit 1. Juli ist er einer von insgesamt zehn Facharbeitern in unserem Maschinenbaubetrieb, in dem wir auch wertschöpfend für andere Unternehmen tätig sind“, sagt er.
Mohamad S. selbst teilt das Schicksal vieler seiner Landsleute. Und er hat, so scheint es, das Beste daraus gemacht. Als der Bürgerkrieg in Syrien losging, drohte ihm die Zwangseinziehung in Assads Armee. Da war er 25. Er hatte sich gerade an der Universität von Damaskus für den Studiengang „Betrieb leiten“ eingeschrieben. Doch anfangen konnte er nicht mehr. Seine Familie hatte immerhin genug Geld, um ihm Anfang 2016 die rund 5000 Dollar teure Flucht zu finanzieren.
Der schwierigste Teil, so erzählt er, war es, von Syrien in den Libanon zu kommen, mit der Unterstützung von Fluchthelfern im Auto. Allein das hat ihn 3500 Dollar gekostet. Von da ging es weiter per Flugzeug in die Türkei. Und dann weiter mit dem Schlauchboot auf die griechische Insel Lesbos. Später über Kroatien und Österreich nach Deutschland. Viele Menschen hätten ihm auf dieser Flucht geholfen, sagt er.
In Deutschland angekommen verbrachte er rund zwei Wochen im Auffanglager Unna, dann wurde ihm Krefeld als Wohnort zugewiesen. Ein Jahr lang habe er in Eigeninitiative Deutsch gepaukt. Mit von syrischen Landsleuten auf der Internetplattform Youtube gegebenen Kursen, von deren Qualität Mohamad heute noch schwärmt. Da habe er viel über die deutsche Grammatik gelernt, sagt er. Doch das eigentliche Sprechen, das habe er dann erst in einem achtwöchigen Praktikum bei MEK üben können. Und natürlich in der Zeit danach, während der zweijährigen Ausbildung. „Trotzdem ich denke und träume immer noch auf Arabisch“, sagt er.
Mit den Eltern in Damaskus und auch mit den in der Welt versprengten drei Geschwistern (Berlin, Kanada, Malaysia) ist er über den Messengerdienst Wahtsapp in ständigem Kontakt. An eine Rückkehr ins Heimaltland sei nicht zu denken, sagt Mohamad: „Nicht, so lange diese Regierung an der Macht ist.“
Wie auch seine Geschwister schickt er ab und zu Geld nach Hause, damit die Eltern (der Vater hat seit acht Jahren keine Arbeit mehr) ihr Geld nicht ausgeben müssen. „Wenn sie mal krank werden, können sie das noch gut gebrauchen, ärztliche Behandlung ist teuer in Syrien.“
Wie problematisch schon dieses Überweisen von Geld ist, erzählt er auch. Macht er das auf legalem Wege, so kommen umgerechnet von jedem Euro nur 30 Cent bei seinen Eltern an. Der Rest versickert. Bei der anderen von ihm und vielen Landsleuten gewählten Variante – Überweisen per Western Union in die Türkei und von da weiter nach Syrien – sind es immerhin 80 Cent. Man sieht, es verdienen immer noch eine Menge Leute an der Not der Geflüchteten. Auch wenn diese es längst „geschafft“ haben.