Wahlkampf in Krefeld Was Lars Klingbeil die Schuhe auszog
Krefeld · Der SPD-Bundesvorsitzende kam zum Gespräch mit 150 Bürgern ins Verve 5 – es ging um aktuelle Themen von der J.D.Vance-Rede in München über Migration bis zum „Hofnarr“ von Kanzler Scholz. Und um den Zwischenruf eines vierjährigen Mädchens.
SPD-Chef Lars Klingbeil (2.v.re.) kam zum Bürger-Gespräch ins Verve 5 an der Feuerwache. Eingerahmt wird er hier von Benedikt Winzen (Chef der SPD-Ratsfraktion), OB Frank Meyer, dem Bundestagsabgeordneten Jan Dieren, der Bundestagskandidatin Ina Spanier-Oppermann und der Krefelder SPD-Vorsitzenden Stella Rütten (v.l.).
Foto: samla.deNach einer guten Stunde hatte zumindest die kleine Elisabeth genug: „Wann sind wir denn endlich fertig?“ platzte die Vierjährige mitten in eine Redepause von Lars Klingbeil – und sorgte für Heiterkeit unter den 150 Besuchern im Verve 5. Der SPD-Bundesvorsitzende nahm den kecken Zwischenruf natürlich charmant auf, vielleicht ahnte er ja schon, dass das Mädchen wohl auch deshalb ungeduldig wurde, weil sie ihm am Ende ein Geschenk überreichen sollte.
Zäh oder gar langweilig jedenfalls war die gute Stunde „Klingbeil im Gespräch“ keineswegs. In gleich mehreren Städten absolvierte der SPD-Chef am Freitag das Format, bei dem ihn die Zuhörer fragen können, was sie wollen: „Ich hab das nicht im Wahlkampf erfunden, sondern mache das schon lange“, sagte Klingbeil, „denn ich will nicht nur irgendwo reinkommen, ne Stunde reden, drei Fragen zulassen und dann abschwirren.“
Nun, ein wenig lang sprach er dann manchmal doch, aber es gab ja auch viel zu sagen. Klingbeil begann mit der Rede von US-Vize Vance in München und dessen verkappter AfD-Wahlempfehlung: „Das zieht einem Transatlantiker wie mir die Schuhe aus.“ Dann ging es um den Anschlag von München und das Reizthema Migration. Klingbeil sagte, dass der Rechtsstaat stark sein müsse, „wer hier kriminell wird, der muss Deutschland verlassen“, zugleich müsse sich die SPD vor alle redlichen Menschen mit Migrationsgeschichte stellen und bei allen Maßnahmen immer das Grundgesetz achten.
Im Saal an der Feuerwache sind viele Genossen, die meisten meinen es gut mit Klingbeil. Man duzt sich und viele Fragen sind eher Vorlagen – etwa wenn es um die Fortführung des Deutschlandtickets, die Finanz- und Steuerpläne von Friedrich Merz und der CDU („Das ist Voodoo“), die Vorteile einer Bürgerversicherung oder den Erhalt des Industriestandortes geht. Ein paar Mal aber wird es durchaus auch kritisch, etwa als es um den verbalen Fehltritt von Kanzler Scholz gegenüber dem Berliner CDU-Senator Chiallo („Hofnarr“) geht: „Olaf bereut das“, sagt Klingbeil, vor allem aber stecke dahinter eine Kampagne von Focus online und der Union. Ein Mittelständler will wissen, warum der Staat nicht einfach mal mehr bei sich selbst spart, ein anderer mahnt an, endlich mit dem Bürokratie-Abbau loszulegen. Klingbeil pariert das alles locker, mehrfach beginnt er seine Antwort mit: „Da hast du absolut recht“. Der Norddeustche ist eben Profi durch und durch, kommt gleichwohl nicht glatt, sondern sympathisch und authentisch rüber.
Die katastrophale Lage der SPD kurz vor der Bundestagswahl lässt er sich jedenfalls nicht anmerken, tapfer beschwört er das Mantra wonach Umfragen noch keine Ergebnisse seien und ein Drittel der Wählerinnen und Wähler noch unentschlossen sei. Den beiden Krefelder Kandidaten Ina Spanier-Oppermann und Jan Dieren macht er Mut, vor allem Dieren lobt er für dessen gute Arbeit in Berlin seit 2021: „Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, hoffe ich ganz sehr, dass Du wieder reinkommst in den Bundestag“.
Klingbeil ist für viele in der SPD ein Sympathieträger, gut kam zuletzt auch an, dass er auch er selbst öffentlich Verantwortung für die schlechten Umfrageergebnisse übernahm und Olaf Scholz nicht alleine im Regen stehen lässt. Dennoch ist natürlich unklar,wie es mit ihm weitergeht, wenn das Ergebnis am 23. Februar so historisch schlecht ausfällt, wie es acht Tage vorher scheint. Klingbeil hofft, dass der Wahlsonntag doch noch ganz passabel wird, schließlich hat er am 23. Februar Geburtstag.
Einsilbig wird der eloquente SPD-Vorsitzende, als ein Bürger den Hamburger „Cum-ex-Skandal“ und dessen zäher Aufklärung anspricht: „Da ist auf jeden Fall schon was passiert, aber ich weiß auch nicht alles.“ Doch an dieser Stelle endet die Veranstaltung ohnehin – und Elisabeth kann Klingbeil endlich das Präsent überreichen.