150 Jahre Kinderheim Marianum: Für das Jubiläum reiste Walburga aus Finnland an
200 ehemalige Bewohner und Mitarbeiter feierten.
Krefeld.150 Jahre Marianum: Der Andrang beim Ehemaligentreffen am Samstag zeigt, dass das Kinderheim für viele frühere Bewohner zur Heimat geworden war. Für viele Besucher eröffneten sich Blicke in eine unbekannte Welt, waren doch beispielsweise die Ordensräume der Borromäus-Schwestern für die Kinder streng verboten. Nach dem Abzug der Ordensfrauen im Jahr 2000 dienen sie u.a. als Kindermensa und sind frei zugänglich.
Von weither, nämlich aus dem finnischen Tampere, ist die 46-jährige Walburga angereist. Sie freut sich darauf, Ordensschwester Simona zu treffen. "Das war unsere Mutter und die einzige Nonne, die wir duzen durften." Walburga kam als Säugling in das Heim, das sie mit 18 Jahren 1979 wieder verließ. "Das Schönste war für mich die Kindheit. Die möchte ich nicht missen", sagt sie.
Eine Kindheit mit vielen Verpflichtungen. So putzte sie jeden Abend die Schuhe für sich und die 15 Mitbewohner. Als besondere Erleichterung empfand sie es, dass sie zusammen mit Bruder und Schwester in einer Familiengruppe leben durfte. "Das Marianum war eins der ersten Heime, in denen die Geschwister nicht nach Geschlechtern getrennt und auseinandergerissen wurden", stellt der heutige Heimleiter Heinz-Werner Knoop dazu fest.
Fast wie bei einer Zeitreise tauchen die Ehemaligen in die Vergangenheit ein. "Vor Weihnachten haben wir uns eine Woche im Flur aufgehalten, weil im Gruppenraum alles schön geschmückt wurde", weiß die 68-jährige Helga Wolf noch, die von 1939 bis 1954 im Marianum war. Die vielen Feste und Ausflüge gehörten zu den Höhepunkten des Jahres.
Daneben denkt Helga Wolf aber auch an die strenge Erziehung, die an Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit orientiert war. "Wenn man nicht artig war, musste man eine Stunde stehen."
Ihre Freundin Hilde Bolz kehrte später als Erzieherin in das Haus zurück, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. "Auch als Angestellte musste ich mit meinen 25 Jahren um 21 Uhr samstags zu Hause sein", schmunzelt sie. Nur einmal war das Tanzen mit dem jungen Mann aus der Nachbarschaft so schön, dass die beiden eine Autopanne vortäuschten, um noch etwas Zeit zu gewinnen. Inzwischen sind die beiden seit 43 Jahren verheiratet.
Charlotte Brauner, die älteste ehemalige Mitarbeiterin, weiß mit ihren 81 Jahren noch von der Zeit zwischen 1949 und 1951 zu berichten. Die Arbeitstage dauerten von 6 bis 22 Uhr. Der Tagesablauf funktionierte auf Kommando und mit morgendlichem Schlangestehen vor dem Waschbecken oder der Toilette.
Wenn Charlotte Brauner Nachtwache hatte, schlief sie bei den Kindern im Schlafsaal mit den 30 Betten, nur durch einen dünnen Vorhang von ihren Schützlingen getrennt. 30 Mark Taschengeld sowie freie Verpflegung und Unterkunft in einem spärlichen eingerichteten Doppelzimmer erhielten die jungen Frauen damals für ihre Dienste. "Wir waren ganz stolz, als das Geld irgendwann auf 35 Mark erhöht wurde." Auch sie ist dankbar: "Für mich als Vertriebene war es wie eine Auffangstelle."