Wer fastet, sucht Besinnung
Manche verzichten in der Fastenzeit aus religiösen Gründen, andere wollen ihr Essen neu wertschätzen lernen. Doch Ärzte ratem eher ab.
Krefeld. Ein Ende ist gleichzeitig auch immer ein Anfang. So wie der Aschermittwoch, der das Ende des Karnevals und der närrischen Zeit bedeutet - und den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit für Christen.
Auf diesen Tag hat sich Pfarrer Josef Berger, Kirche Zu den Heiligen Schutzengeln, schon lange gefreut. Denn die Zeit bis Ostern ist für ihn befreiend. "So lernt man all die schönen Dinge, an die wir hier so sehr gewöhnt sind, wieder neu schätzen", sagt der Pfarrer.
Fasten, das heißt für ihn auch Nächstenliebe. Er verzichtet unter anderem auf Alkohol, Süßigkeiten und Fernsehen - alles, was er dadurch spart, spendet er. "Die Fastenzeit ist für mich keine Zeit der Selbstkasteiung, sondern eine Zeit, in der das Teilen im Vordergrund steht", sagt er. Komplett aufs Essen verzichten kann er nicht, da es ihn zu sehr körperlich mitnehmen würde.
Petra Bendlage hingegen enthält sich 14 Tage ganz, nimmt Nahrung nur in flüssiger Form zu sich. Die Fillialleiterin im Reformhaus Goll sitzt an der Quelle: Da gibt es Gemüsesäfte, Sauerkrautsäfte, Fruchtsäfte, Anis-, Fenchel- oder Kümmeltee.
Petra Bendlage trinkt 14 Tage nur Kurmolke, "weil ich damit am besten klarkomme", wie sie sagt. Sie arbeitet währenddessen, weil sie sich dadurch ablenken kann - und nicht die ganze Zeit an ihren Hunger denkt.
Der Grund für ihr Fasten: "Das Essen schmeckt nach dieser Zeit ganz anders, ich nehme alles viel bewusster wahr", erzählt sie. "Ich überdenke, wie und was ich esse.
Für Regionaldekan Johannes Sczyrba ist das keine Fastenzeit im eigentlichen Sinn. "Nicht der gesundheitliche Aspekt steht im Vordergrund, sondern die Frage: Was fange ich mit meinem Leben an?"
Er hat den Eindruck, dass die Sensibilisierung für dieses Thema zunimmt. Früher hätten sich die Menschen unter Druck gesetzt, eine Art Leistungskatalog erstellt, was sie dürfen und was nicht. Heute sei das anders, Fastende besännen sich auf sich selbst.
Die medizinische Sicht auf das Fasten ist eine andere. Dr. Andreas Leischker, Chefarzt der Allgemeinen Inneren Medizin, Krankenhaus Maria Hilf, empfiehlt das Fasten nur bei akuten rheumatischen Erkrankungen. Der Verzicht kann jedoch im schlimmsten Fall zu Herz-Rhythmus-Störungen, Gichtanfällen und Kreislaufbeschwerden führen. "Deswegen empfehle ich das Fasten nur unter ärztlicher Aufsicht", warnt Leischker.
Auf keinen Fall dürften Menschen fasten, die an Unterernährung, Kreislaufbeschwerden oder Krankheiten leiden. Längerem Fasten steht Leischker sehr skeptisch gegenüber: "Da Körpergewebe in Form von Fett und Muskeln abgebaut wird, kann dies sogar gesunden Menschen schaden."
Übrigens: Fasten ist zur Gewichtsabnahme ungeeignet, da der Körper auf "Hungerzeit" umschaltet und nach Fastenende sofort alle Kalorien "speichert": der berühmte Jojo-Effekt.