Vortrag bei der Volksbank: Klartext von Clement
Der einstige Superminister und Ex-Ministerpräsident folgte einer Einladung der Volksbank.
Krefeld. Er geht auf die 70 zu, aber streitbar ist er noch immer. Als passionierter Bahnfahrer fordert Wolfgang Clement zu Beginn seines Vortrags die 1400 Teilnehmer der Mitgliederversammlung der Volksbank im Seidenweberhaus gleich zum Ungehorsam auf. Nirgends gebe es schlimmer ausgestattete Bahnhöfe als in NRW, und Krefeld mache da keine Ausnahme. "Sie haben so eine schöne Stadt. Lassen Sie sich das nicht von der Bahn gefallen", animiert er zum Protest. Lob hat er für den Gastgeber übrig: "Sie sind ja eine Bank, zu der man noch ohne Bedenken gehen kann."
Vorstandsvorsitzender Klaus Geurden erläuterte vor der Rede von Clement den Anteilseignern des Kreditinstituts die positive Bilanz des Vorjahres: "Wir wollen nicht mit den Banken in einen Topf geworfen werden, die diese Krise verursacht haben", sagte er und nennt Partnerschaft und Verlässlichkeit als Werte.
Clement sprach Klartext bei seinem Streifzug durch "die wirtschaftspolitischen Perspektiven im Vorfeld der Wahlentscheidung". Zunächst lästert der gelernte Journalist über das "leblose Fernseh-Duett" von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier.
Dann schrieb er allen Politikern ins Lehrbuch, nur den Ordnungsrahmen festzulegen, aber sich nicht in die Wirtschaft aktiv einzumischen. Was dabei herauskäme, sehe man ja unter anderem am Versagen der Landesbanken.
Die Politik habe mit den Milliardenkrediten zur Sicherung der Banken richtig gehandelt, bekämpfe aber private mit öffentlicher Verschuldung - also Feuer mit Feuer. Aus diesem Dilemma führe nur eine massive Entschuldung, etwa durch die Gewinne eines zukünftigen Wachstums. Zum Schutz vor künftigen Finanzkrisen fordert er ein Frühwarnsystem. In einer globalisierten Welt sei nichts mehr wie früher, seitdem zu Löhnen produziert werde, die unter den üblichen Mindestlöhnen lägen.
Dringend überarbeitungsswürdig sei das Gesundheitssystem, da die Menschen immer älter würden. Die Lebenserwartung liege bei 80 Jahren und die Prognose für die Zunahme dementer Erkrankungen bei 150 Prozent. Die Energiepolitik werde bis auf Weiteres nicht ohne Kern- und Kohlekraft auskommen. Alte Zöpfe will Clement abgeschnitten wissen: Die Bildung müsse internationalen Standards angepasst und gefördert werden, der Föderalismus sei überholt, Lehrer müssten nicht beamtet sein. Die Lösungen seien nur im Verbund mit den europäischen Nachbarländern erreichbar. "Mein Traum sind die Vereinigten Staaten von Europa."