Schule Der Alltag zwischen zwei Schulstandorten

Krefeld · Daniel Tadych ist einer von 80 Lehrern, die zwischen Arndt- und Fichte-Gymnasium pendeln. Das bringt auch einige Schwierigkeiten.

 Daniel Tadych ist jeden Tag mehrfach mit dem Rad unterwegs – die Auswirkungen für den Berufsalltag hat er anfangs unterschätzt. Ihm fehlt vor allem der Austausch mit Kollegen.

Daniel Tadych ist jeden Tag mehrfach mit dem Rad unterwegs – die Auswirkungen für den Berufsalltag hat er anfangs unterschätzt. Ihm fehlt vor allem der Austausch mit Kollegen.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Was es bedeutet, aus zwei Schulen eine zu machen, das wird Hans-Jörg Richter wohl erst nach und nach bewusst. Der neue Name machte zuletzt eher Ärger, als aus Arndt und Fichte endlich das neue, gestärkte Gymnasium für Krefelds Innenstadt. Ein Großteil der Schüler-, Lehrer- und Elternschaft hatte sich Anna Teervort, die Hülserin, die in der NS-Zeit eine Jüdin vor der Deportation rettete, als Namensgeberin gewünscht, die Schulkonferenz aber für die jüdische Publizistin mit deutsch-amerikanischen Wurzeln, Hannah Arendt, entschieden. Daneben belastet die Pendelei zwischen den zwei Schulstandorten an Dionysius- und Lindenstraße die Lehrer und auch die Anmeldezahlen fürs nächste Schuljahr bereiten Schulleiter Richter aktuell Sorgen (siehe Kasten).

Den Kopf in den Sand stecken will er deshalb nicht. Seit dem 1. August vergangenen Jahres leitet Richter eine Schule mit zwei Standorten, 80 Lehrkräften und fast 900 Schülern. Zwei Schulen, „die lange Jahre eher nebeneinander her als zusammen gearbeitet haben. Ich glaube aber, dass wir seitdem viel geschafft haben. Wir sind auf einem guten Weg, Fichte und Arndt zu einer Einheit mit Profil zusammenzubringen“, betont er. Die Schätze beider Schulen dabei zu bewahren – die Burg Bischofstein und die Integrationsarbeit durch sprachliche Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund für das ehemalige Fichte-Gymnasium, die kulturelle Ausrichtung und Inklusion am Arndt – sei allen Beteiligten wichtig und soll sich im Leitsatz der neuen Schule wiederfinden: „Individualität, Vielfalt, Solidarität – entdecken, leben stärken“.

Bei allen Schwierigkeiten, die eine Zusammenführung von zwei Schulen mit sich bringe: „Mir ist wichtig, Probleme nicht wegzudiskutieren, aber auch zu sagen: Wir gucken positiv in die Zukunft.“ Das Kollegium setze sich für dieses Ziel ein, wo es geht, betont Richter. „Die Kollegen sind sehr engagiert. Und für mich ist es eine reizvolle Aufgabe, gemeinsam hier etwas Neues zu entwickeln, an Fragen zu arbeiten, wie: ,Wofür wollen wir stehen?’“ Und aus dem Leitmotto letztlich auch ein Leitbild zu entwickeln.

Dabei hat sich auch für die Lehrer viel verändert: Sie unterrichten plötzlich nicht mehr bloß an einem, sondern an zwei Schulstandorten. Die fünften bis achten Klassen an der Dionysiusstraße, die Neuntklässler bis zur Jahrgangsstufe zwölf (Q2) an der Lindenstraße. Dafür müssen sie pendeln – zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Jeder, Ausnahmen gibt es nicht. Auch Schulleiter Hans-Jörg Richter wechselt an manchen Tagen mehrmals den Standort. Die Strecke sei nicht das Problem, weiß er. Mit dem Rad ist man in weniger als zehn Minuten vom einem Standort am anderen. „Was von vielen Lehrern aber als belastend empfunden wird, ist die Zeit, die durchs Pendeln fürs kollegiale Gespräch in den Pausen verloren geht. Und für pädagogische Gespräche mit Schülern, etwa über schlechte Arbeiten oder Streitigkeiten im Klassenverband.“

Davon kann auch Daniel Tadych ein Lied singen. Seit 2009 unterrichtet er Mathe und Physik am Fichte-Gymnasium, hat dort selbst vor 19 Jahren sein Abitur gemacht. „Ich hänge sehr an der Schule, es war ein heftiger Schlag vor fast zwei Jahren, als wir erfahren haben, dass das Fichte geschlossen wird“, erinnert er sich. „Für mich stand damals fest, dass ich unbedingt weg möchte. Dann habe ich aber mitbekommen, was hier alles angepackt wird. Das hat mich überzeugt, zu bleiben“, erzählt Tadych. Zwei Schulen zu verbinden, die über viele Jahre Konkurrenten im Kampf um Anmeldezahlen waren, „das ist eben nicht so einfach“. Die Zusammenarbeit im Kollegium nennt er „perfekt“, klagt aber über „organisatorische Schwierigkeiten: Das Pendeln ist eine enorme Belastung, die ich so vorher gar nicht für möglich gehalten habe.“

Lehrer schätzen es, ältere und jüngere Schüler zu unterrichten

Mit dem Pausengong beginnt für die Lehrer der Wettlauf gegen die Zeit: Klassenbucheintrag, schnell anziehen, noch eilig dem Kollegen etwas über den Flur zugerufen, dann geht’s aufs Rad, um pünktlich zur nächsten Unterrichtsstunde am neuen Standort zu sein. „Die vielen kleinen Gespräche mit den Kollegen fallen weg. Schon, weil es jetzt zwei Lehrerzimmer gibt und alle ständig unterwegs sind – das Problem ist nicht das Pendeln an sich, sondern, was dadurch verloren geht. Man führt eine Art Doppelleben.“ Im vergangenen Schuljahr habe er an fünf Schultagen keine einzige Pause gehabt, erzählt Tadych. „Entweder saß ich auf dem Fahrrad, oder ich habe in den Pausen Versuche für den Physikunterricht auf- oder abgebaut.“ Ein anderer Kollege wechselt dienstags dreimal den Standort.

Aber deshalb nur an der Dionysisusstraße die jüngeren oder an der Lindenstraße die älteren Schüler zu unterrichten, das kommt für Daniel Tadych nicht in Frage: „Ich mag die vielfältigen Fragen, die die Fünftklässler im Unterricht stellen, genauso das wissenschaftliche Arbeiten mit den älteren Schülern – diese Mischung.“ Das sei auch das Credo vieler anderer Lehrer an der Schule, glaubt Schulleiter Hans-Jörg Richter: „Die Kollegen wollen nicht bloß an einem der beiden Standorte eingesetzt werden, weil sie die gymnasiale Breite schätzen.“

Natürlich, „am schönsten wäre es, alle an einem Standort zu haben“, sagt Daniel Tadych. Es würde aber schon helfen, wenn bei den Stundenplänen künftig stärker darauf geachtet würde, das Pendeln auf ein Minimum zu begrenzen.

Was er sich für die Zukunft des neuen Innenstadtgymnasiums wünscht? „Dass wir es hinbekommen, Fichte Fichte und Arndt Arndt sein zu lassen und als neue Schule durchzustarten. Dass es nicht mehr darum geht, wer woher kommt, sondern dass wir alle zu einer gemeinsamen Schule gehen“, sagt Daniel Tadych. „Toleranz auf allen Ebenen eben.“