Feuerrotes Fluchtmobil
Als sich Erich Thiel mit seinem Opel Kadett 1980 in Studentenunruhen wiederfand, wollte er nur eines: Raus aus der Schweiz.
Kreis Mettmann. Als Erich Thiel in Zürich war, hätte er nie und nimmer daran gedacht, dass er sich auf einmal inmitten von Studentenunruhen befindet. Der Ratinger hatte sich 1980 auf den Weg in die Schweizer Metropole gemacht — mit seinem ersten Wagen, einem Opel Kadett, Baujahr 1971.
Gekauft hatte er ihn vier Jahre später. „Und ich war sehr stolz auf meinen ersten Wagen. Immerhin war ich schon 32 Jahre alt. Aber vorher war ich die ganze Zeit in der Ausbildung und im Studium, da konnte ich mir kein Auto leisten“, erzählt der heute 68-Jährige.
Nach Zürich war er gefahren, weil er einfach durch die Stadt bummeln und sich die Züge am Hauptbahnhof anschauen wollte. Thiel interessierte sich dafür, weil er bei der Deutschen Bahn angestellt war und ein Faible für alles hatte, was auf Schienen fährt.
Seinen Wagen stellte er in der Schweizer Metropole nahe der Universität ab. „Ich wusste ja nicht, dass an diesem Tag demonstriert wurde und Randale herrschte. Ich habe das auch erst bemerkt, als ich das Tränengas und die Polizeistaffeln wahrgenommen habe“, sagt Thiel, als er von seinem Abenteuer in der Schweiz erzählt.
Als er von seiner Tour durch die Stadt zurück zu seinem Auto kam, blieb er steif von Schreck stehen. „Studenten hatten meinen geliebten Kadett mal eben angehoben und verstellt. Er stand nicht mehr auf dem Parkplatz, sondern mitten auf der Straße. Ich vermute, dass sie so die Straßenbahn, die dort entlangfuhr, stoppen wollten.“
Thiels erster Gedanke: ab zur Polizei. Die sollte schauen, ob an dem Wagen alles in Ordnung ist. „Das war der Fall. Aber trotzdem wollte ich Zürich dann nur noch schnell verlassen und nach Hause fahren.“
Gesagt, getan: Thiel setzte sich in seinen 55 PS „starken“ Kadett und brauste los Richtung Grenze. Spitzengeschwindigkeit: 130 km/h. Er wählte den kürzesten Weg für seine Heimreise. Schneller kam er deshalb dennoch nicht zu Hause an. Etliche Male musste er die Grenze überqueren. Und das kostete Nerven: „Denn immer, wenn ich an einem Grenzposten ankam, wurde nicht einfach nur der Pass kontrolliert. Jedes Mal musste ich aussteigen und den Kofferraum aufmachen, der dann durchsucht wurde.“
Letztlich hat der Ratinger dann doch noch seine Heimreise geschafft. Doch immer wieder zog es Thiel in die Berge. Etliche Fahrten in die Schweiz oder nach Norditalien folgten.
Dass die nicht immer reibungslos verliefen, nahm Thiel dem Opel nicht übel. „Ich mochte den roten Flitzer irgendwie“, sagt er. Deshalb verzieh Thiel seinem Kadett auch, als dieser einmal komplett sein Licht ausschaltete — auch diesmal wieder kurz vor einer Landesgrenze, diesmal der von Österreich. „Zum Glück hatte der Kadett aber eine einfache Elektronik und einen guten Schaltplan in der Bedienungsanleitung. Mit ein paar Kniffen konnte ich die Scheinwerfer wieder zum Leuchten bringen. Das wäre bei heutigen Fahrzeugen gar nicht mehr möglich.“
1982 mit 100 000 Kilometern auf dem Buckel trennte sich Thiel aber von seinem Kadett. „Es war einfach Zeit, einen neuen Wagen zu kaufen. Der Kadett hatte einige Alterserscheinungen und die Reparaturen nahmen mit der Zeit zu. Aber schöne Zeiten im Ausland mit vielen tollen Erinnerungen hat er mir beschert.“