Erdogan suspendiert Bürgermeister Ilgezdi

Ankara hat den Bürgermeister von Monheims Partnerstadt Atasehir abgesetzt. Kritik erntet nun Daniel Zimmermann für seine Reaktion.

Monheim. Freitag, 15. Dezember 2017, im Monheimer Ratssaal: Bürgermeister Daniel Zimmermann (Peto) empfängt eine Schülergruppe mit Betreuern aus der Partnerstadt Istanbul-Atasehir. Gastgeber und Gäste schwenken türkische und deutsche Fähnchen, die Vertreter des Partnerschaftsvereins Atamon sagen: „Es geht um Freundschaften, nicht um Politik“, gerade in „unruhigen Zeiten“ in der Türkei. Gemeint ist, was eine Resolution des EU-Parlaments (7. Juli 2017) so zusammenfasst: „Massenentlassungen von Beamten und Polizisten, Massenliquidierung von Medien, Verhaftungen von Journalisten, Wissenschaftlern, Richtern, Menschenrechtsverteidigern, gewählten und nicht gewählten Amtsträgern . . .“

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Was kaum jemand auf Monheimer Seite an diesem 15. Dezember weiß: Eine Woche zuvor hat es auch den demokratisch gewählten Bürgermeister von Atasehir erwischt. Battal Ilgezdi, der der von Staatsgründer Atatürk gegründeten sozialdemokratischen CHP angehört, wurde von seinem Amt suspendiert. Der Vorwurf lautet: Korruption.

Foto: Stadt Monheim

Zimmermann weiß nach eigenem Bekunden seit 8. Dezember (Tag der Suspendierung) von der Aktion des türkischen Innenministeriums. Die Öffentlichkeit informiert hat er aber erst jetzt, fast fünf Wochen später. Nach einem Aufenthalt in Atasehir Anfang Januar lässt er sich in einer am Donnerstag versandten Pressemitteilung wie folgt zitieren: „In Atasehir habe ich nach Gesprächen mit Beteiligten keine Erkenntnisse erlangt, die den Schluss nahe legen würden, dass das türkische Innenministerium mit rechtsstaatswidrigen Mitteln vorgeht.“

Foto: Stadt Atasehir

Während der Ermittlungen führe Ilgezdis Stellvertreter Ilhami Yilmaz (ebenfalls CHP) die Amtsgeschäfte. „Nichtsdestotrotz werden wir die Situation sehr aufmerksam beobachten. Wichtig ist, dass es ein faires und offenes Verfahren gibt“, lässt sich Zimmermann weiter zitieren — und reagiert damit auf eine Anfrage von CDU-Ratsfraktionschef Markus Gronauer. Der wusste bis vor wenigen Tagen nichts von der Amtsenthebung — wie überhaupt die komplette Ratsopposition. Gronauer wie auch SPD-Fraktionschef Werner Goller sind darüber erbost: „Das passt ins Gesamtbild von Zimmermanns ,Türkei-Politik’“, sagt Goller: „Er versucht, negative Entwicklungen unter der Decke zu halten und spielt das Ganze, wenn man ihn darauf anspricht, herunter.“ Zimmermann setze voraus, was man „schlichtweg nicht voraussetzen kann: dass in der Türkei nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 noch rechtsstaatlich verfahren wird“, kritisiert Goller.

Gronauer hält es für vermessen, von außen beurteilen zu wollen, ob es bei den Korruptionsermittlungen durch 17 Kontrolleure des türkischen Innenministerium im Rathaus von Atasehir rechtsstaatlich zugeht: „Das Muster kennen wir aus der Monheimer Politik: Zimmermann geriert sich als Ermittler und Staatsanwalt in einem. Motto: Ich hab’s mir angeschaut, alles ist gut“, sagt der CDU-Politiker.

Schützenhilfe erhält die Rats-opposition von in Deutschland lebenden Türken, die nicht der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nahestehen. Kann man von einem rechtsstaatlichen Verfahren gegen Ilgezdi ausgehen? Entschieden mit „Nein“ antwortet darauf zum Beispiel der im Kölner Raum gut vernetzte Integrationsprofi Ali Koban: „Korruption gehört neben Terrorismus zu den Standardvorwürfen der AKP-Machthaber, um die Opposition auszuschalten. Nach der Kurdenpartei trifft es jetzt auch die CHP. Auch Ablenkung von Korruptionsvorwürfen gegen AKP-Leute könnte ein Motiv sein.“ Während Zimmermann eine Rückkehr des suspendierten Bürgermeisters ins Amt „durchaus möglich“ nennt, sagt Koban dazu: „Rückkehr? Das glaube ich kaum.“

Bleibt die Frage: Was bedeutet die Absetzung für die Städtepartnerschaft? „Gerade jetzt ist es wichtig, die offenen Kräfte in der Türkei zu bestärken, deshalb muss der Austausch weitergehen“, betont Hagen Bastian, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Atamon und Schulleiter des Otto-Hahn-Gymnasiums. Noch bis Montag hält sich eine Schülergruppe des OHG in Atasehir auf.

Bastians Linie ist Konsens auch im Monheimer Rat. Ob der hält, hängt indes von der Entwicklung in der Partnerstadt ab. Während Zimmermann am Donnerstag keine „rote Linie“ erkennen wollte, sagen Gronauer und Goller unisono: „Sollte in der bisherigen CHP-Hochburg Atasehir die AKP die Macht übernehmen, dann muss über Konsequenzen gesprochen werden.“