Langenfeld: „Bauverein ist ein Stück Heimat“
Gemeinschaftsgefühl: Die Genossenschaft will am Samstag mit möglichst vielen Mietern das 90-jährige Bestehen feiern.
Langenfeld. Im Februar dieses Jahres hatte es beim Rentner-Ehepaar Heinz und Anita Altenberger an der Paulstraße geschellt. Vor der Tür stand Hubertus Dedeck (58), Geschäftsführer des Bauverein Langenfeld (BVL). Er brachte dem 75-Jährigen und seiner um zwei Jahre jüngeren Frau einen großen Blumenstrauß und gratulierte zum 50. Jahrestag des Einzugs. Doch nicht nur das.
"Auch eine Monatskaltmiete wurde uns erlassen", sagt Anita Altenberger. Anfang 1959 waren mehrere Neubauten der Genossenschaft an der Paulstraße fertiggestellt und umgehend belegt worden. Jetzt feiert der Bauverein sein 90-jähriges Bestehen mit seinen Mietern (siehe Kasten).
In den schweren Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg gegründet, war der BVL bis weit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs maßgeblich daran beteiligt, die Wohnungsnot zu lindern. 959Wohnungen sind heute in Besitz der Genossenschaft.
Die 2125 Mitglieder halten 4417 Anteile zu je 410 Euro. Die Mitglieder sehen sich tatsächlich als große Gemeinschaft, wie Erika und Günter Kulike (79), die Nachbarn und Freunde der Altenbergs, betonen. "Der Bauverein ist meine Heimat. Schon meine Großeltern waren Mitglied, später meine Mutter, die ihre Anteile an uns vererbte", sagt Erika Kulike (70).
Als die Kulikes 1975 einzogen, mussten sie sich noch mit einer Ofenheizung begnügen, zog es von den einfach verglasten Fenstern her wie Hechtsuppe. Das alles ist Vergangenheit. Nicht nur an der Paulstraße. Die oft vor Jahrzehnten errichteten Wohnungen erhielten Zentralheizung und dichte Doppelfenster.
Die in jüngerer Zeit gebauten Häuser erfüllen alle Anforderungen an modernen Wohnungsbau. Bestes Beispiel dafür sind die 30seniorengerechten Komfortwohnungen am Martinplatz, die Ende 2005 bezugsfertig waren. Die ältesten Häuser In den Griesen und an der Richrather Straße wurden saniert und beleben mit ihren Fassaden in freundlichen Farben das Stadtbild.
Kaum zehn Jahre nach der Vereinsgründung standen auch schon 25Häuser der Mustersiedlung "Steinrausch". Mehr als 120Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenfamilien kamen in den Genuss dieses Wohnraums. Die größte Herausforderung kam nach Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Bauverein zu.
Es begann ein Bauboom wie nie zuvor, und zum 40-jährigen Bestehen 1959 konnte bilanziert werden, dass ein ganzes Stadtviertel mit 725 Wohnungen geschaffen worden war. Allein zwischen 1949 und 1959 waren 78 Häuser mit 548 Wohnungen gebaut worden, in denen auch Vertriebene wie die Familie Altenberger zu erschwinglichen Mietpreisen ein Dach über dem Kopf erhielten.
"Die Mieten sind bis heute günstig geblieben. Hier gehen wir nicht mehr raus", versichern die Altenbergers und Kulikes. Sie zahlen 3,21 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter für ihre rund 60 Quadratmeter. Die Durchschnittsmiete beim Bauverein liegt bei 4,31Euro.
Die beiden Ehepaare haben sich über die Eröffnung des Bauvereins-Treffs 2006 an der Martinstraße gefreut und besuchen diesen regelmäßig, um beispielsweise Bingo zu spielen. Aus der ehemaligen Backstube Schliebach ist ein Gästehaus für den Besuch der Mieter entstanden.
An der Königsberger Straße will der BVL 2010 mit dem in drei Abschnitte unterteilten Bau von 100 barrierefreien Zwei- und Dreiraumwohungen beginnen. Mit rund 13 Millionen Euro wird das dank der Nutzung von Sonnenenergie und dem Einsatz von Wärmepumpen auch energetische Vorzeigeprojekt kalkuliert.