Mein erstes Auto: Goggo als Familienkutsche

Weil die Schwiegermutter den Enkel sehen wollte, kamen Maria Gloyna und ihr Mann 1959 in den Besitz eines Goggomobils.

Ratingen. 1959 hatte die Schwiegermutter es einfach satt. Sie wollte häufiger Besuch von Maria Gloyna und ihrem Sohn haben. Immerhin waren sie schon einige Jahre verheiratet, das erste gemeinsame Kind war schon auf der Welt. Und die Schwiegermutter wollte auch ihr Enkelkind häufiger mal zu Gesicht bekommen.

Die beiden Ratinger, Maria Gloyna und ihr Mann, lebten damals noch in Essen, die Schwiegermutter in Wesel. Ende der 1950er- Jahre eine nicht einfach zu überwindende Strecke. „Das war mit Bus und Bahn schon ein Akt“, sagt die heute 87-jährige Maria Gloyna. „Und deshalb waren wir auch nicht so oft bei der Schwiegermutter.“

Die wollte sich mit ihrem Schicksal nicht abfinden und kaufte für Sohn und Schwiegertochter ein Goggomobil. „Unser erster Wagen war sozusagen ein Geschenk. Und wir waren auch meiner Schwiegermutter dankbar. Selber hätten wir uns einen Wagen nicht leisten können“, erzählt Maria Gloyna.

400 Euro hatte die Schwiegermutter für den fahrbaren Untersatz bezahlt. Dass ihre Wahl ausgerechnet auf ein Goggomobil fiel, hatte seinen Grund. Nicht Design oder Farbe waren entscheidend. „Es war unspektakulär. Aber ich hatte keinen Führerschein, und mein Mann nur einen der Klasse 4, also für Motorräder. Aber mit dem durfte er das Goggomobil fahren“, berichtet Gloyna.

Kaum war das Auto gekauft, bauten die Gloynas ihren Vorgarten um — oder eher: Sie vernichteten ihn komplett. „Aus dem Garten vor dem Haus haben wir kurzerhand einen Parkplatz gemacht, damit das Goggo auch schön vor dem Haus stehen und wir es immer ansehen konnten. Wir waren ja stolz wie Oskar. Ich war 35 und mein Mann 37 Jahre alt. Und wir hatten nun endlich das erste Auto.“

In den 1960er-Jahren ging es dann auf große Tour: Das Ehepaar Gloyna packte die Koffer, ein wenig Proviant und fuhr mit mittlerweile vier Kindern in Richtung Norden. Hamburg war das Ziel. Die älteste Tochter brachten die Gloynas vor der Fahrt noch zum Bahnhof. „Sie musste mit dem Zug fahren, weil im Goggo ja nur Platz für vier Leute war. Und wir hatten die Personengrenze schon lange überschritten. Hinten saßen zwei Kinder, vorne mein Mann und ich mit der jüngsten Tochter auf dem Schoß. Wir waren also schon fünf.“

Weil die Jüngste gerade einmal zwei Jahre alt war, rüstete Maria Gloyna das Goggo noch mal auf — „mit einer kleinen Fahrtentoilette“, erzählt die 87-Jährige. „Es gab einfach noch ein Töpfchen unter dem Beifahrersitz, das in der Not Hilfe leisten sollte. Wir wollten einfach nicht so oft Pause machen. Wir wussten, dass wir eine halbe Ewigkeit bis Hamburg brauchen würden. Das Goggo war nicht so schnell, hat vielleicht gerade einmal 100 km/h Spitze geschafft. Da wir aber voll bepackt waren, tuckerten wir noch langsamer über die Autobahn.“

Nach zehn Stunden hatten sie ihr Ziel erreicht. „Und ich war heilfroh, dass wir unfallfrei angekommen waren, und mein Schoß endlich wieder frei war. Es war einfach anstrengend, ein Kind so lange auf sich sitzen zu haben. Aber wir hatten einen schönen Aufenthalt in der Hansestadt.“

Zwei Jahre später hieß es Abschied nehmen vom Goggo. „Wir haben den Wagen verkauft. Mein Mann hatte den Führerschein Klasse 3 gemacht und durfte nun jedes Auto fahren“, sagt sie. Die Gloynas kauften einen Renault. „Aber das Goggo war für den Einstieg ins Autofahrerleben nicht schlecht. Nur die Schwiegermutter, die haben wir trotzdem nicht häufiger besucht.“