Kultur darf nichts kosten
Politiker stimmen einer Spielzeit 2010/11 zu. Sie wissen, dass Theater und Kabarett in Erkrath seit sieben Jahren kostendeckend angeboten werden.
Erkrath. Wuppertal liegt, von Erkrath aus betrachtet, in keiner anderen Hemisphäre, sondern gerade mal 40 Kilometer weit entfernt im Osten. Schulden sind zwar nicht ansteckend, aber die Tatsache, dass in der Bergischen Metropole das Schauspielhaus geschlossen werden soll, um jährlich 80 Millionen Euro einzusparen, macht vor, was möglich ist.
Kultur hat auch in Erkrath keine große Lobby. Als das Theaterprogramm 2002 einen Zuschussbedarf von 25000 Euro aufwies, beschloss die CDU, diese Form der Kultur abzuschaffen - es sei denn, dem Fachamt gelinge die Ausarbeitung eines kostendeckendes Konzepts.
Sieben Jahre später ist die finanzielle Situation der Stadt ähnlich trübe: Statt 21 Millionen Euro werden zum Jahresende wohl nur 17 Millionen Euro Gewerbesteuern von Firmen überwiesen werden. Mit diesem Wissen holte sich Kulturamtsleiter Ulrich Schwab-Bachmann am Mittwoch bei den Politikern im Fachausschuss die Versicherung ab, für die Spielzeit 2010/11 trotz möglicher Defizite ein Theaterprogramm planen zu dürfen.
Ein weites Herz für die Kultur hat die neue Mehrheit mit ihrer Zustimmung allerdings nicht bewiesen. Das finanzielle Risiko ist höchst überschaubar. Seit jenem Schreckmoment 2002 hat es Schwab-Bachmann nämlich alljährlich geschafft, Ausgaben- und Einnahmeseite im Gleichgewicht zu halten - und das mit einem Programm, das Haan und Mettmann neidvoll nach Erkrath blicken lässt.
Das Erfolgsprinzip ist einfach und fragil. "Mit Ausnahme der Theateraufführungen arbeiten wir nur noch mit Verträgen, in denen Einnahmeteilung aus Eintrittskarten festgeschrieben wird", sagt Schwab-Bachmann. Diese Rechnung geht für alle Beteiligten auf - vorausgesetzt, die Künstler sind Zugpferde wie Konrad Beikircher oder Dieter Nuhr, die planbar die Stadthalle bis auf den letzten Platz füllen.
Zu Kosten und Namen äußerst sich Schwab-Bachmann zwar nicht konkret - die Rechnung ist aber nicht so schwer: Die Stadthalle fasst maximal 670 Besucher. Bei einem durchschnittlichen Kartenpreis von 20 Euro werden 13 400 Euro eingenommen. Die Hälfte sind 6700 Euro. Um Nuhrs finanzielle Zukunft steht es demnach nicht wirklich schlecht, und das Kulturamt nimmt Geld ein, mit dem der jährliche Etat von 115000 Euro aufgestockt werden kann.
Trotzdem ist Erkraths Kulturprinzip zerbrechlich. Die Bühnen, die großes Theater nach Erkrath bringen, lassen sich auf Teilung der Einnahmen nicht ein. "Sie erhalten ein festen Betrag", sagt Schwab-Bachmann. Besonders teuer sind Musical-Aufführungen. Die kosten zwischen 9000 und 15000 Euro. Wenn eine solche Veranstaltung floppt, rutscht der Kulturetat unaufhaltsam in die Miesen.
Entsprechend zielsicher muss Schwab-Bachmann agieren, wenn er das Theater-Programm zusammenstellt. "Zumal die Erkrather nur die ganz Großen kennen." Als vor einigen Wochen der Entertainer Guido Cantz, immerhin künftiger Moderator von "Verstehen Sie Spaß?", auftrat, blieb ein Drittel der Stadthalle leer. Hinzu kommt, dass immer weniger Theaterbesucher ein Abo für die gesamte Spielzeit abschließen. Schwab-Bachmann: "Die Leute entscheiden sich immer häufiger spontan und kaufen ihre Karten an der Abendkasse."
Auf der Strecke bleiben die Nachwuchs-Kabarettisten. "Die gehen dabei über den Jordan", sagt Schwab-Bachmann. Wenn - wie in den 90er-Jahren - 70 Besucher in den Kaiserhof kommen, um einen aufstrebenden Jung-Künstler zu sehen, "geht der anschließend mit 200 Euro nach Hause". Da bleibt er dann lieber gleich.