Russlanddeutsche: Eine sprachlose Generation hat ihr Schweigen gebrochen

13 Russlanddeutsche in Mettmann erzählen von ihrer Leidensgeschichte in der Sowjetunion. Sie wurden aufgeschrieben und in der Dokumentation "Bewältigte Schicksale" veröffentlicht.

Mettmann. Jahrelang haben sie geschwiegen, oder ihre Erlebnisse nur im engsten Familien- und Freundeskreis erzählt. Viele Russlanddeutsche haben während des Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren in der Sowjetunion unermessliches Leid und Elend erfahren. Sie wurden vertrieben, inhaftiert, zur Zwangsarbeit getrieben und gequält. Diese Erlebnisse haben sich so stark in den Erinnerungen der Menschen eingebrannt, dass sie noch heute traumatisiert sind.

In Mettmann, so schätzt Lilia Lawruk, die Vorsitzende des Integration-Kultur-Zentrums (IKZ), deren Eltern selbst an den Ural verbannt wurden, leben rund 2000 Russlanddeutsche. Auch unter ihnen gibt es viele, die großes Leid ertragen haben.

Einige von ihnen haben jetzt ihre Geschichten erzählt. Sie wurden aufgeschrieben und in der Dokumentation "Bewältigte Schicksale" veröffentlicht. Gefördert wurde das Projekt von der Bezirksregierung Düsseldorf, der Kreissparkasse Düsseldorf sowie des Rotary Clubs Mettmann.

Lydia Scheier berichtet unter anderem von ihrem Vater, der 1937 verhaftet und als Spion und Konterrevolutionär verurteilt wurde. Sie und der Rest der Familie wurden als Volksfeinde verbannt. "Als die Dorfbewohner über die Umsiedlung aller deutschen Familien informiert wurden, weinte meine Mutter die ganze Nacht - als hätte sie gewusst, dass sie nie wieder in ihren Heimatort zurückkehren würde", heißt es bei Lydia Scheier.

Irma Meier erinnert sich daran, wie sie 1941 mit ihrer hochschwangeren Mutter und ihrem kleinen Bruder das Haus verlassen und monatelang in einem Schützengraben auf offenem Feld leben musste. Olga Scherer berichtet von ihrer Einschulung 1948: "Rock und Bluse fertigte Mutter aus Fußlappen. Einen Trägerrock aus einem Rock, den ich glücklicherweise einmal am Flussufer gefunden hatte. Ich war stolz auf mein Kleid. Es hatte sogar einen Knopf."

"Mit dem Buch wollen wir aber nicht nur an das Schicksal der Russlanddeutschen in der Sowjetunion erinnern, sondern auch das Kulturgut pflegen, das diese Menschen mitgebracht haben", sagt Lilia Lawruk, die 1993 nach Mettmann kam. Gedichte und Liedtexte finden sich in dem Buch auch wieder.

Die Dokumentation wurde in einer Auflage von 100 Exemplaren gedruckt, die Texte mit Fotos der Erzähler sowie Aufnahmen aus ihren Familienalben bebildert. Lilia Lawruk: "Es war eine umfangreiche Arbeit. Erst wurden die Geschichten aufgeschrieben und dann teilweise ins Deutsche übersetzt." Gestaltet wurde das Buch von der Russlanddeutschen Lilia Bauer. Zu kaufen gibt es das Buch für 20 Euro im IKZ.