Einkaufen für zwei Euro
Am Dienstag öffnete die Ratinger Tafel zum ersten Mal. Innerhalb einer Stunde hatten sich 200 Menschen angemeldet, um günstig Lebensmittel einkaufen zu können.
Ratingen. Fünf Minuten vor dem Start der Ratinger Tafel ertönt Applaus vor der Tür des katholischen Pfarrzentrums an der Grütstraße. Rund 120 Menschen stehen vor dem Gebäude. Sie warten auf die Eröffnung der Ratinger Tafel. Viele von ihnen stehen schon seit 9.15 Uhr vor der Tür. Doch bis sie in dem Pfarrzentrum Lebensmittel kaufen können, müssen sie noch eine dreiviertel Stunde warten.
Manche nutzen die Zeit, rauchen, unterhalten sich über den Reichtum, den andere verprassen, oder kramen in ihren Mänteln und Jacken nach Papieren wie Sozialpass oder Arbeitslosenbescheinigung. Denn die brauchen die Menschen, um überhaupt Lebensmittel der Tafel kaufen zu können.
Berechtigt sind nur einkommensschwache Personen, die nachweisen können, dass sie nicht mehr als 345 Euro im Monat haben - der Satz für Hartz IV-Empfänger.
Dann ist es endlich soweit. Edith Bohnen, die Vorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) tritt vor die Wartenden. "Es geht gleich los. Nur noch wenige Minuten", sagt sie den Leuten. Die lächeln, klatschen und freuen sich, dass sie gleich einkaufen können.
Einer von ihnen ist Peter Hambüschen (Name geändert). Er ist arbeitslos geworden, hat keinen neuen Job gefunden und bezieht heute Hartz IV. Über die Einzelheiten seines Schicksals redet er ungerne. Eilig geht er zur Schlange, in der die anderen Leute stehen, um ihre Papiere vorzuzeigen.
"Ich bin so froh, dass es endlich so ein Angebot auch hier in Ratingen gibt", sagt er. "Ist ja alles so teuer. Besonders Obst und Gemüse kann ich mir doch kaum leisten."
In dem Raum, in dem die von Supermärkten und Landwirten gespendeten Lebensmittel liegen, wird er fündig. Gurken, Auberginen, Tomaten, Weintrauben, Äpfel und Kartoffeln stapeln sich in Pappkisten. Daneben liegen Brot, Chips, Backmischungen, an einer Theke gibt es Eier, Käse und Brötchen zu kaufen.
Zu Dritt oder zu Fünft dürfen die Hilfebedürftigen in den Lebensmittelraum. Eine Person darf sich für zwei Euro eine Einkaufstüte voll packen. Leben mehr Personen in einem Haushalt, darf mehr eingekauft werden.
Dabei helfen den Menschen 20 Ehrenamtliche, die die Lebensmittel austeilen. "Sonst gibt das hier absolutes Chaos. Die Menschen würden sich die Lebensmittel gegenseitig aus den Händen reißen, wenn hier Selbstbedienung wäre", ist sich Diethelm Ricken, Geschäftsführer des Ratinger Tafelvereins, sicher.
Derweil haben sich 10.30 Uhr vor dem Gebäude die Gaffer positioniert, Neugierige, die sich "das Spektakel anschauen wollen", wie sie sagen. Und sie machen auch keinen Hehl daraus, dass für sie die Menschen, die zur Tafel kommen, "Schmarotzer" sind. "Das sind doch alles nur geizige Leute.
Die wissen doch gar nicht, was bedürftig heißt", sagt einer. Ein anderer holt noch weiter aus: "Die wollen doch nur billig einkaufen, um vom gesparten Geld saufen zu gehen." Ihre Namen wollen die Beiden nicht nennen.
Mittlerweile ist eine Stunde vergangenen. Und immer noch kommen neue Menschen zum Pfarrzentrum, zeigen ihre Papiere vor und stellen sich an die Schlange an. "Mein Kühlschrank ist seit Tagen leer. In letzter Zeit hab ich mir nur noch Haferflocken und Milch geleistet", erzählt eine Besucherin, in welch prekären Lage sie steckt.
Solche Berichte schockt die ehrenamtliche Helferin Gertrud Müller nicht. "Wir blenden Armut doch völlig aus im Alltag. Ich bin mir sicher, dass noch mehr Menschen kommen würden, wenn sie sich nicht wegen ihrer Lage schämen würden."
Nach Angaben der Stadt sind rund 5.000 Menschen in Ratingen berechtigt, die Tafel in Anspruch zu nehmen.