Neviges: Die Namen kehren zurück

Gunter Demnig verlegteam Donnerstag in der Fußgängerzone vier Stolpersteine, die an die jüdische Familie Meyer erinnern.

Neviges. Mit kräftigen Hammerschlägen treibt Gunter Demnig einen Meißel ins Pflaster vor der Passage in der Elberfelder Straße. Es dauert einige Augenblicke, bis sich zwei Steine aus dem Verbund lösen lassen, doch dann ist der Platz frei für vier Stolpersteine. Die kleinen Betonquader tragen Messingplatten mit Namen und Daten: Sie erinnern an die jüdische Familie Meyer, die dort einst wohnte und in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten starb.

Im Februar hat der Kölner Künstler bereits auf Initiative des evangelischen Kirchenkreises Niederberg 13 Steine im Stadtgebiet verlegt. Nun gibt es weitere elf. Nach der Friedrichstraße 169 und der Kastanienallee 7 in Velbert-Mitte sowie der Alte Vogteierstraße 6 in Langenberg war die Nevigeser City gestern Morgen die letzte Station.

"Hier wohnte Jakob Meyer Jg. 1873, deportiert 1942, ermordet in Theresienstadt" steht auf einem der Steine. Viele Informationen gibt es nicht über das Leben der Familie: Der gebürtige Nevigeser Jakob Meyer lebte mit seiner Frau Frieda, dem 1870 geborenen Albert (wahrscheinlich sein Bruder) und Moses Meyer im Wallfahrtsort. Der 1906 geborene Moses war vermutlich der Sohn des Ehepaares. Er betrieb an der Elberfelder Straße (vor 70 Jahren Adolf-Hitler-Straße 31) das Textilgeschäft der Familie. Die Drangsalierungen durch die SA, die 1933 begonnen hatten, mündeten am 9. November in einen Überfall im Verlauf der Pogromnacht: "Namentlich den Familien Laib ( ) und Meyer wurde übel mitgespielt; johlende SA-Horden zerrten sie nachts aus den Betten und Häusern, traten und schlugen sie. Sie beschmierten ihre Häuser ("Hier wohnt ein Jude"), warfen Schaufenster ein und schleuderten Bettzeug und Mobiliar auf die Straße", schreibt Uwe Holtz 1972 in der Veröffentlichung "50 Jahre Stadtrechte Neviges".

Weiter heißt es dort, dass am folgenden Morgen eine 200- bis 300-köpfige Menschenmenge zugesehen habe, wie "die alte Frau Meyer, gezwungen, den ,Müll’ wegzuräumen, sich mit Zeitungspapier umwickelten blutenden Händen aus den Scherben ihre eigenen Sachen herauszuklauben versuchte". Obwohl ein Geraune des Mitleids und Abscheus durch die Menge ging, habe sich angesichts von SA und Polizei niemand getraut, der alten Frau zu helfen.

Nach vielen Schikanen wurde die Familie durch Zwangsversteigerung um ihren Immobilienbesitz gebracht, und im August 1941 wurde das mehrstöckige Geschäftshaus abgerissen, weiß Paul-Jürgen Stein vom Kirchenkreis Niederberg, der die Velberter Stolperstein-Aktion betreut. Ein Jahr später deportiert, starb die Familie bis auf Albert Meyer, der in Kozle/Oppeln ermordet wurde, in Theresienstadt.

Es ist Markt in Neviges, als Gunter Demnig am Donnerstag die Steine ins Pflaster einfügt. Einige Bürger bleiben stehen. Hans- Günter Böllhoff war fünf Jahre alt und auf dem Weg zum Kindergarten, als er am Morgen nach dem Pogrom an dem Meyerschen Haus vorbeikam: "Die Scheiben waren eingeschlagen, alles war zerstört", erinnert sich der heute 76-Jährige. Auch das Bild der alten Frau Meyer, die versucht, ihre Habseligkeiten zu retten, ist ihm noch gut im Gedächtnis. "Moses Meyer war ein Begriff in Neviges. Mein Vater hat dort eingekauft", sagt Horst Maul. Dass die Familie und ihr Schicksal nun nicht völlig in Vergessenheit geraten, dafür sorgen nun die Stolpersteine.