Lintorf: Die vielen Seiten der Heimat
Heimatfreunde: Gerade ist der 78. Band der „Quecke“ erschienen. Ein Schwerpunkt ist die Geschichte der Familie Steingen.
Lintorf. Sie kostet kaum mehr als eine Schachtel Zigaretten, hält aber ungleich länger: Die "Quecke" des Lintorfer Heimatvereins. Was vor 58 Jahren als "Heimatblätter" gegründet wurde, hat sich längst zu einem gewichtigen Band gemausert: 272 Seiten pralle Heimatgeschichte, "Dönekes" und Histörchen, aber auch fundiert aufbereitete Historie, aktuelle Berichte, Mundarttexte, Ehrungen und Nachrufe - etwa auf den jüngst verstorbenen Ehrenbürger Ferdinand Trimborn.
Alles durchgehend bebildert, vielfach mit Farbfotos - kurzum ein ideales Weihnachtsgeschenk für jeden, der an seiner Stadt Interesse hat. Mit der Veröffentlichung hat der Lintorfer Heimatverein eine Punktlandung geschafft: Quasi noch "warm" aus der Druckerei wird das aktuelle Heft am Wochenende auf dem Lintorfer Weihnachtsmarkt an der Drupnas unters Volk gebracht. Die neue "Quecke" ist aber auch im Buchhandel erhältlich.
Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist die Familie Steingen, der mit verschiedenen Beiträgen 40 Seiten gewidmet sind. "Lintorf kann man mit Steingen pflastern" hat schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts der Leiter des Ratinger Progymnasiums Johannes Petry gesagt, wenn er über Ratingens Nachbarort am Dickelsbach sprach.
In der Tat hießen damals sehr viele Lintorfer Steingens, Steingen, Steinchen und Stenkes - oder waren mit ihnen verwandt. Der Geschichte dieser Familie spürt Manfred Buer - auch mit großen Stammbäumen - nach, andere Autoren fördern allerhand Wissenswertes und Spannendes über sie zu Tage.
Dass nämlich ein Daniel Steingens als Statthalter Jan Wellems in London mit der englischen Königin und Isaac Newton verhandelt haben soll. Und dass Hans Steingen ein erfolgreicher Musiker und Produzent ("Tote Hosen") ist. Bekannt ist dagegen, dass die Steingens seit 175 Jahren erfolgreich in Lintorf backen und dass auch heute noch "halb Lintorf" mit ihnen familiär verbandelt ist, darunter die Familien Doppstadt, Hamacher, Haselbeck, Haufs, Kleinrahm, Mentzen, Perpeét oder Rosendahl. Sogar der berühmteste Sohn Lintorfs, der Porzellankünstler Johann Peter Melchior, ist mit den Steingen verwandt.
Was bietet die "Quecke" sonst noch: Helmut Pfeiffer blickt auf das Jubiläum der Ratinger St.Sebastiani-Bruderschaft zurück, Hans Müskens verfasste einen lesenswerten und gut illustrierten Artikel über das Trumscheit (Streichinstrument) auf der Ratinger Monstranz von 1394.
Stadtarchivarin Erika Münster beleuchtet die Machtergreifung der Nazis und die Bücherverbrennung vor 75 Jahren in Ratingen. Thematisch verwandt sind Berichte über die soziale Lebenssituation Ratinger Juden oder "Der zweite Weltkrieg im Spiegel einer Ratinger Schulchronik".
Woher die Lintorfer Straßennamen kommen, wird ebenso erklärt wie die Geheimnisse des Sackerschlosses in Tiefenbroich, die Ewald Dietz lüftet. Mundarttexte, Jubiläen (100 Jahre Café Bös, 75 Jahre Schneiderei Rosendahl, 100 Jahre TuS Lintorf) schlagen den Bogen zur Gegenwart, indem auch die Städtepartnerschaft Ratingen-Maubeuge beleuchtet wird.
Spannend wie ein Krimi ist der Bericht "Der Tod kam aus dem Brunnenschacht" über die Arsenvergiftung einer Frau beim Bau der Eissporthalle, und, und, und. Eigentlich müsste man vor der "Quecke" warnen: Achtung! Nur Durchblättern geht nicht.