Neviges: Ein gewaltiges Klangerlebnis
Die neue Pfeifenorgel, die beim Domweihfest zum ersten Mal vor einer großen Zuhörerschaft ertönte, begeistert Fachleute und Kirchenbesucher gleichermaßen.
Neviges. Es ist ein mit Spannung erwarteter Moment: Gleich zu Beginn der Festmesse segnet Weihbischof Rainer Woelki an Himmelfahrt, dem Tag des Domweihfestes, die neue Orgel der Wallfahrtskirche, die erstmals vor der Gemeinde ertönt. "Orgel, geweihtes Instrument, stimme an das Lob des Herrn!" lautet danach die erste von zehn Anrufungen des Bischofs, die Organist Ansgar Wallenhorst jeweils mit einer kurzen Versette beantwortet.
Gewaltig erfüllt das musikalische Lob den Kirchenraum, bewegend, dominierend, aber nicht aufdringlich. "Lege Zeugnis ab für das Erbarmen des Herrn und für seine Liebe und Güte" - der mächtigen Ouvertüre folgen leise, sanfte Töne. Zu jeder Lobpreisung Woelkis setzt Wallenhorst das musikalische Pendant, gibt damit gleichzeitig einen ersten Einblick in die Bandbreite des neuen Instruments. 1640 Pfeifen zählt die Orgel, die kleinste gerade fünf Millimeter groß, die größte misst sechs Meter.
Kommentar von Eckhard Isenberg, Orgelsachverständiger des Erzbistums Köln, zum neuen Instrument
Traditionell feiert der Domchor am Himmelfahrtstag auch sein Stiftungsfest, und so steuern die Sänger unter anderem mit Stücken aus der Deutschen Messe von Schubert ihren Teil zur musikalischen Gestaltung der Messe bei. Dabei harmoniert der Chor hervorragend mit der Orgel: "Die Balance stimmt", lobt Chorleiter Claus Tinnes das Zusammenspiel. Künftig werden die Sänger nun vor der Orgel auf der Empore über dem Haupteingang zu finden sein.
Mehr als zufrieden ist Pfarrer Daniel Schilling, aus Tönisheide stammender Kreisjugendseelsorger, der die Messe mit zelebrierte. Er hatte als gelernter Orgelbauer maßgeblichen Anteil an der Konzeption des Um- und Ausbaus des Instruments.
Und diese Konzeption ist für Organist Ansgar Wallenhorst hervorragend umgesetzt worden: "Die neuen Bestandteile der Orgel sind optimal in das alte Instrument integriert." Hinzu komme der wunderbare Raumklang, die ausgezeichnete Akustik der Kirche und nicht zuletzt der architektonisch interessant gelöste Einbau der Orgel auf der Empore: "Es passt einfach alles zusammen", urteilt der Fachmann aus Ratingen.
Kirchenmusikerin Ursula Klose hat am Mittwochnachmittag ein letztes Mal das alte, elektronische Instrument gespielt, bevor sie sich erstmals an den Spieltisch der neuen Orgel setzte: "Das war wie der Auszug aus Ägypten ins Gelobte Land", beschreibt die Nevigeserin den Unterschied mit biblischen Worten.
Ganz weltlich sind dagegen die Kosten für das Instrument, die Erzdiözesanbaumeister Martin Struck mit 230 000 Euro beziffert, davon 50 000 für den Ankauf und 40 000 für den Transport. Kölns Anteil beträgt 125 000 Euro, die Franziskaner müssen 105 000 Euro aufbringen, die durch Spenden finanziert werden: "18000 Euro fehlen uns noch", wirbt Wallfahrtsleiter Pater Herbert Schneider um Unterstützung.
Eine neue elektronische Orgel hätte zwar nur mit rund 50 000 Euro zu Buche geschlagen, davon hätten aber seit 1968 bereits drei in der Wallfahrtskirche gestanden, so Struck. Letztlich sei eine Pfeifenorgel über die Jahre leichter zu warten, während für die Elektronik irgendwann keine Ersatzteile mehr zu bekommen seien. Mit der jetzigen Lösung ist man indessen sehr zufrieden: "Eine Pfeifenorgel dieser Größe und Qualität hätte neu um die 650 000 Euro gekostet", so Orgelfachmann Isenberg.
Nicht zuletzt um die neue Orgel vor Schäden durch Ruß und Rauch der Kerzen zu schützen, ist in den vergangenen Monaten eine Kerzenbrandstelle neben dem Haupteingang errichtet worden. Sie wurde jetzt ebenfalls von Weihbischof Rainer Woelki eingesegnet.