Mehr als 100 Brände in Viersen und Mönchengladbach So kam die Polizei Brandstiftern auf die Spur

Kreis Viersen/Mönchengladbach · Mehr als hundert Brände im Kreis Viersen und in Mönchengladbach haben seit 2022 die Ermittler beschäftigt – selten gab es eine ähnlich lange Brandserie. Wie die Polizei den bisher vier Tätern auf die Spur kam.

Brandexpertin Julia Daams leitet die Ermittlungskommission Pyro, Ingo Thiel leitet das Kriminalkommissariat 1 bei der Polizei Viersen.

Foto: Daniela Buschkamp

Sind Brände einfacher aufzuklären als Mordfälle? Nein, meint Ingo Thiel, der sich als Leiter des Kriminalkommissariats 1 in Viersen mit seinem Team um Brandermittlungen kümmert.

„Der Bürger ist immer Ermittler.“ Das sagt Julia Daams. Die Kriminalkommissarin leitet die Ermittlungskommission Pyro bei der Kreispolizei Viersen. Sieben Ermittler beschäftigen sich seit Anfang des Jahres mit einer Serie von mehr als hundert Brandstiftungen im Kreis Viersen.

Brände sind für die Ermittler eine besondere Herausforderung: Brandstifter wählen die Orte oft wahllos aus und hinterlassen nur wenig Spuren. Zudem könne die Polizei Täter oft nur ermitteln, wenn Zeugen Beobachtungen zu den Bränden melden – nicht selbstverständlich bei Bränden in der Nacht. Dabei seien auch solche Hinweise wichtig, die die Zeugen auf den ersten Blick als nicht relevant einschätzen.

Auch bei der Brandserie hat es laut Julia Daams zahlreiche Zeugen-Hinweise gegeben. Nicht immer sofort, manchmal auch deutlich später. „Aber ohne diese Hinweise hätten wir die Täter nicht festnehmen können“, sagen die beiden Ermittler.

Julia Daams hat zahlreiche der Brände im gesamten Kreisgebiet, die oft nach Mitternacht ausgebrochen sind, direkt vor Ort untersucht. Denn: Je früher die Spurensuche beginnt, desto größer die Chance, verwertbare Hinweise zu finden.

Immer wieder brennende Strohmieten, Hecken oder Waldstücke, immer wieder gingen zunächst Autos, später sogar zwei Autotransporter in Flammen auf. Diese Brandserie in einem selten großen Ausmaß hat seit Anfang des Jahres Menschen im Kreis Viersen und in der Nachbarstadt Mönchengladbach verunsichert.

Die Polizei habe bewusst zunächst nicht von einer Brandserie gesprochen, auch aus ermittlungstaktischen Gründen, erklärt Pressesprecher Wolfgang Goertz. Oft sei die Polizei gefragt worden, wann sie denn endlich Erfolge erziele, schildert Ingo Thiel. Thiel ist ein erfahrener Ermittler und bundesweit bekannt geworden als Chefermittler im Mordfall des 2010 in Grefrath getöteten Mirco; der Fall war auch Vorbild für eine Fernseh-Serie.

Erfolge konnte die Polizei am Mittwoch mit zwei Verhaftungen von einem 38-jährigen Boisheimer und einem Süchtelner (25 Jahre) melden. Beide sagten umfangreich nach ihrer Festnahme aus. Der Süchtelner, ein früheres Mitglied einer freiwilligen Feuerwehr, steht im dringenden Tatverdacht, ein Fahrzeug vorsätzlich in Brand gesetzt und dadurch ein angrenzendes Mehrfamilienhaus beschädigt zu haben.

Wie viele Brände aus der Serie auf das Konto des Boisheimers, der wegen Brandstiftung fünfeinhalb Jahre in Haft saß, gehen, weiß die Polizei noch nicht. „Das ist jetzt Gegenstand der weiteren Ermittlungsarbeit“, sagt Julia Daams.

Nun sei zu klären, wer wann für welche Taten verantwortlich sei. „Wir haben unsere Hausaufgaben gut gemacht, sind aber noch nicht am Ende angelangt“, meint Ingo Thiel. Jetzt ermittelt die Polizei weiter: „So werden wir weitere Zeugen befragen und auch die Handys der Beschuldigten auswerten.“

Nicht nur das Entzünden eines Feuers ist dabei laut Ingo Thiel für Brandstifter ein Reiz, sondern ihnen geht es auch um die Folgen: Das Löschen der Feuerwehr, die Arbeit der Polizei, die Berichte in den Zeitungen sowie die Aufmerksamkeit in sozialen Medien. Auch wenn niemand mehr „eine Sammlung von Berichten, wie oft in Filmen zu sehen, an die Wand hängt“, so Daams.

Im Laufe der Ermittlungen hätten sich unterschiedliche Muster abgezeichnet – sowohl zum Vorgehen (Modus operandi), als auch zur Wahl der Brandorte. So hätten nicht nur Hecken, Strohmieten oder Waldstücken, sondern auch immer wieder Fahrzeuge und zweimal ein Autotransporter gebrannt. Deshalb war es für die Polizei naheliegend, dass es möglicherweise mehr als nur ein Täter geben könne.

„Brandermittlungen sind sehr schwierig“, sagt Julia Daams. Bei einem Feuer sei zunächst die Ursache – technischer Defekt oder Brandstiftung – zu klären. Manchmal ein Problem für die Brandermittler: Sie können erst nach dem Löschen aktiv werden. Wenn sie Pech haben, finden sie dann keine Spuren mehr. In günstigen Fällen gibt es noch Hinweise, etwa auf verwendete Brandbeschleuniger. Dies können flüssige Stoffe wie Benzin ebenso sein wie feste Stoffe wie Anzündwürfel. Aber nach dem Löschen finden sich solche Spuren kaum noch. Nur durch lange und intensive Ermittlungen, bei denen die Polizisten Sachbeweise, Zeugenaussagen und die Aussagen der Verdächtigen mit einbeziehen, kann eine derartige Serie aufgeklärt werden.

Wie es jetzt weitergeht: Die Polizei muss Aussagen von Zeugen und die Spuren übereinanderbringen, um Taten möglicher Trittbrettfahrer zu identifizieren.

„Wir sind sicher, dass wir die Taten vor Gericht zweifelsfrei beweisen werden“, so Julia Daams.