Kempen „Bach auf dem richtigen Weg“

Die WZ sprach mit Ex-Eisschnellläufer und Sportfunktionär Christian Breuer über Olympia. Der Grefrather ist im Hauptberuf bei der Kempener Bundespolizei.

Foto: dpa

Grefrath/Kempen. Seit der vergangenen Nacht brennt in Rio de Janeiro die Olympische Flamme. Bereits im Vorfeld des größten Sportereignisses der Welt stehen die Spiele 2016 allerdings im Schatten von Dopingskandalen und der Staatskrise in Brasilien. Jemand der, die Szene rund um das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Spiele kennt, ist der Grefrather Christian Breuer. Der früherer Eisschnellläufer war als Sportler und Funktionär bei vielen Spielen dabei. Mit der WZ sprach der heutige Vorstandsvorsitzende der deutschen Schulsportstiftung über die aktuellen Ereignisse.

Herr Breuer, wo erreichen wir Sie? Sind Sie bei den Spielen in Rio vor Ort?

Christian Breuer: Nein, ich werde seit vielen Jahren das erste Mal nicht vor Ort dabei sein. Seit Ende 2014 bin ich aufgrund einer Amtszeitbegrenzung nicht mehr Vorsitzender der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes. Ich bin zeitgleich aus dem Präsidium des DOSB ausgeschieden und in Rio nicht mehr Teil der Mannschaftsleitung. Deshalb bin ich gerade mit meiner Familie im Urlaub in Dänemark und drücke von hier aus der ganzen Mannschaft die Daumen.

Als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Schulsportstiftung sind Sie aber durch den Wettbewerb „Jugend trainiert für und Olympia und Paralympics“ weiterhin den olympischen Spielen verbunden.

Breuer: Das ist richtig. Seit knapp einem Jahr habe ich diese spannende und vielseitige Aufgabe. Zentral geht es darum, die Brücke zwischen dem Schulsport in 16 Bundesländern und dem Spitzensport zu schlagen, um auf lange Sicht unentdeckten Talenten Zugang zum Sport zu ermöglichen. Anscheinend passte meine bisherige Erfahrung ganz gut und so ist man auf mich gekommen. Es macht wirklich Spaß und wir können noch eine Menge bewegen.

Kommen wir zu den Spielen in Rio. Werden Sie den Sport mit Freude im TV verfolgen? Oder trübt zum Beispiel der Dopingskandal rund um den russischen Verband diese Freude?

Breuer: Es sind ohne Frage besondere Spiele. Die derzeitigen Dopingverdächtigungen stimmen mich logischerweise nachdenklich und man denkt zurück an die eigene aktive Zeit. Mittlerweile fragt man sich, was wohl früher in einzelnen Verbänden gelaufen ist. Ich war 1998 bei meinen ersten olympischen Spielen in Nagano. Heute weiß man zum Beispiel, was zur gleichen Zeit parallel rund um den Radsport abgelaufen ist.

Derzeit stehen vor allem die russischen Sportler wegen des wohl organisierten Staatsdopings unter Verdacht. Trotzdem sind die meisten dabei. Ist die Entscheidung des IOC und somit des Präsidenten Thomas Bach richtig, Russland nicht komplett auszuschließen?

Breuer: Ich denke aufgrund meines Kenntnisstands, dass Thomas Bach und das IOC auf lange Sicht den vielleicht besseren, hoffentlich nachhaltigeren Weg gegangen sind. Eine komplette Sperre Russlands würde zwar Aufsehen erregen und eine erwünschte Reaktion sein, aber nicht langfristig das Problem Doping anpacken. Die einzelnen Weltverbände müssen in die Pflicht genommen werden. Sie sind dafür verantwortlich, dass ihre Sportart sauber betrieben wird. Das IOC ist Veranstalter der Spiele, aber in den Jahren dazwischen laufen unzählige Wettbewerbe auf Ebene der Weltverbände. Man muss auch dort den Hebel ansetzen. Die juristische Hürde, ein komplettes nationales Komitee mit einzelnen international getesteten und startberechtigten Sportlern auszuschließen, wäre wohl derzeit zu hoch.

Aus Ihrer Arbeit beim DOSB kennen Sie Thomas Bach schon einige Jahre. Wird er bei so einer Entscheidung von Interessen — in dem Fall russischen — gesteuert?

Breuer: Thomas Bach ist zwar Jurist, aber soweit ich ihn kenne, im Herzen immer noch ein Athlet. Und vor allem ist er ein Sportler, der persönlich 1980 vom Boykott der Spiele in Moskau betroffen war. Ihm als Olympiasieger von 1976 und den anderen Athleten hat man damals aus politischen Gründen den für viele einmaligen Traum von Olympia genommen. Dieses Ereignis hat ihn geprägt. Insofern ist sein Handeln — im Rahmen des juristisch möglichen — in meinen Augen immer noch am Wohl der Athleten orientiert. Das sieht man nun auch aktuell am Beispiel der startberechtigten russischen Sportler.

Im Fall von Julija Stepanowa, die mit ihren Enthüllungen das Dopingsystem in der Leichtathletik ans Licht gebracht hat, bekommen Bach und das IOC aber heftige Kritik. Der sogenannten Whistleblowerin wird der Start in Rio unter neutraler Flagge bislang verwehrt. Was sagen Sie zu dieser Entscheidung?

Breuer: Juristisch ist die Entscheidung sicher geprüft und rechtens, auch wenn ich nicht alle Details vorliegen habe. In der Begründung heißt es, dass Stepanowa über Jahre selbst Teil des Dopingsystems war. Allerdings hätte man diesen Fall auch menschlicher prüfen und als klares Signal im Doping-Kampf entscheiden können. Wenn man IOC-Regeln öffnet, wie zum Beispiel für den absolut zu begrüßenden Start von Flüchtlingen unter neutraler Flagge, hätte ein weiteres positives Signal dem IOC nicht geschadet.

Nun aber mal wirklich zum Sport. Auf was freuen Sie sich denn bei den Spielen von Rio?

Breuer: Ich schaue Olympische Spiele immer aus einem etwas anderen Blickwinkel. Mein Fokus gilt vor allem den deutschen Sportlern, bei denen ich weiß, was sie für eine harte und intensive Vorbereitung hatten. Und auf diejenigen, die einen speziellen, eigenen Weg in Training und Ausbildung gehen. Als Beispiel nenne ich Gesa Krause, die sich derzeit voll auf den Sport konzentriert, vorbereitend eine Höhentrainingslager-Kette in Kenia absolviert und sich im eigenen verband Freiräume geschaffen hat. Und nun bin ich gespannt, was in Rio passiert. Ich denke, dass auf jeden Fall eine Medaille, ja sogar ein Überraschungsgold über 3000 Meter Hindernis drin ist.

Der Grefrather Eissport spielt in Rio logischerweise keine Rolle. Trotzdem die Frage danach: Haben Sie noch Kontakt zum Verein? Dort gibt es ja mit Johannes Brunner ein vielversprechendes Talent.

Breuer: Natürlich gibt es Kontakte nach Grefrath. Durch meinen Wohnort Niederkrüchten und meinen Arbeitsplatz bei der Bundespolizei in Kempen liegt das nah. Das Interesse am Eislaufen ist weiterhin groß, was auch die Anzahl Neuzugänge durch Inline-Sommerkurse belegt. Das freut mich wirklich sehr. Johannes Brunner kenne ich und ich weiß, was er kann. Das Eissportzentrum und vor allem der Verein ist immer noch eine echte Talentschmiede. Diese Möglichkeiten müssen einfach weiter genutzt und gefördert werden, denn Sport kann nun mal komplette Lebenswege verändern und beeinflussen — ich weiß, wovon ich spreche.