Kempen Boxclub: Ein Jahr und fünf Monate auf Bewährung für Ex-Vorsitzenden
Das Amtsgericht sieht eine gewerbsmäßige Untreue in 84 Fällen als erwiesen an. Einen Teil der 143 Fälle in der Anklageschrift konnte der Kempener entkräften — das ersparte ihm wohl das Gefängnis.
Kempen/Krefeld. Ein Jahr und fünf Monate auf Bewährung — zu dieser Strafe wurde am Montag ein 69-jähriger Kempener vom Krefelder Schöffengericht verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er sich in seiner Funktion als Vorsitzender des Kempener Boxclubs (BC) wegen gewerbsmäßiger Untreue strafbar gemacht hat. In der Beweisaufnahme konnten dem Mann laut Gericht 84 Fälle zwischen Anfang 2009 und Herbst 2013 nachgewiesen werden.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklageschrift 143 Fälle zum Gegenstand des Verfahrens gemacht — mit einem Gesamtschaden für den Boxclub von 61 295 Euro. Einen Teil dieser Vorwürfe konnte der Angeklagte im Prozess entkräften. Am Ende blieben 84 Fälle, in denen es insgesamt um rund 26 000 Euro ging.
Laut Anklage hat der frühere Vorsitzende des BC zwischen 2009 und 2013 regelmäßig Geld vom Konto des Vereins veruntreut. Zum einen hat der Kempener sich für die Arbeit im Vorstand ein monatliches Gehalt von rund 320 Euro vom Vereins- auf sein eigenes Konto überwiesen, obwohl dies laut Satzung nicht vorgesehen ist. Ebenso hat der Angeklagte den Beitrag für seine Krankenversicherung vom Boxclub-Konto bezahlt. Ferner hat er auch Geld an das Hauptzollamt in Duisburg vom Vereinskonto überwiesen. Dieses forderte im Auftrag der Krankenkasse Geld von ihm, weil es dort offene Rechnungen gegeben hat. Außerdem wurden private Rechtsanwaltskosten des Angeklagten vom Vereinskonto beglichen.
Ebenfalls konnte dem ehemaligen Funktionär des Vereins laut Gericht nachgewiesen werden, dass er Geld des Boxclubs verwendet hat, um laufende Kosten in seiner Eigenschaft als Herausgeber eines Magazins zu finanzieren. So tauchte in den Kontoauszügen eine Überweisung von rund 2000 Euro an eine Druckerei auf. Ferner gab es Kosten von 1000 Euro für Pralinen, die offenbar an Kunden des Magazins verteilt worden sind.
Ende 2008 hat sich der Angeklagte nach eigenen Angaben dazu „breitschlagen lassen“, das Amt des Vorsitzenden zu übernehmen. Vorher war er nach eigener Aussage „mehr oder weniger als Geschäftsführer“ des 2004 gegründeten Boxclubs tätig. Dafür habe er auch eine Aufwandsentschädigung bekommen. Dann habe er mit dem damals scheidenden Vorsitzenden vereinbart, dass er auch künftig 420 Euro für diese Tätigkeit bekommt, auch wenn er Vorsitzender sei. „Ich habe erheblichen Aufwand betrieben, für den ich entschädigt werden sollte“, so der Angeklagte in seiner Einlassung vor Gericht.
Karl-Heinz Redelings, Gründer des Vereins und bis 2008 Vorgänger des Angeklagten im Amt des Vorsitzenden, gab im Prozess als Zeuge an, dass es keine entsprechende Vereinbarung für ein Gehalt des Vorsitzenden des Vereins gab. „Dazu hatte ich ja gar keine Befugnis. Außerdem verstößt das gegen die Geschäftsordnung“, so Redelings, der heute Ehrenvorsitzender des BC ist. Alle Vorstandsmitglieder hätten „immer ehrenamtlich“ gearbeitet — so wie es in der Satzung vorgesehen sei.
Aufwandsentschädigungen seien lediglich an Trainer und Putzkräfte bezahlt worden. Und zwar häufig in bar, wie das Gericht nach der Vernehmung etlicher Zeugen herausarbeiten konnte. Für Trainerkosten und andere Ausgaben, wie zum Beispiel „Einkäufe bei Aldi und Trinkgut“, hat der Angeklagte nach eigenen Angaben auch das Geld abgehoben, das er während seiner rund vierjährigen Amtszeit in bar vom Konto der Volksbank Kempen-Grefrath abgehoben hat.
Diese Barauszahlungen in Höhe von rund 35 000 Euro waren auch Bestandteil der Anklageschrift. Im Prozess präsentierten der Angeklagte und sein Verteidiger dann zwei Aktenordner, die belegen sollten, dass er diese Summe für Zwecke des Vereins eingesetzt hat. „Hier ist alles aufgelistet und belegt — mit Quittungen“, so der Angeklagte. Der Richter unterbrach die Sitzung für 30 Minuten. Er selbst und der Staatsanwalt studierten in dieser Zeit die Ordner.
„Ich komme zum Ergebnis, dass es sich um eine geordnete Darstellung handelt“, sagte der Richter nach dem Aktenstudium. Somit wurde das Verfahren mit Blick auf die Barauszahlungen eingestellt. Dabei ging es um zirka 35 000 Euro in 59 Fällen. Allerdings monierte der Richter, dass der Angeklagte diese Übersichten viel früher an seine Nachfolger im Vorstand hätte übergeben müssen. Diese gaben in ihren Zeugenaussagen an, dass sie keine Unterlagen vom Angeklagten bekommen hätten. Sie hätten lediglich mit Hilfe der Kontoauszüge der Volksbank die Ungereimtheiten aufarbeiten können.
Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten. Der Angeklagte habe sich der „gewerbsmäßigen Untreue über einen längeren Zeitraum“ schuldig gemacht. Der Verteidiger des Angeklagten sah die Gewerbsmäßigkeit nicht gegebenen und forderte eine Bewährungsstrafe „von deutlich unter einem Jahr“.
Der Richter und die beiden Schöffen erkannten die Gewerbsmäßigkeit an und landeten so in ihrem Urteil nah an der Forderung des Staatsanwaltes. „Es besteht kein Zweifel, dass ihr Griff in die Kasse den Tatbestand der Untreue erfüllt“, so der Richter zum Angeklagten. Über „so einen langen Zeitraum“ von mehr als vier Jahren hätte sich der Angeklagte unter anderem sein Gehalt von einer Mitgliederversammlung genehmigen lassen müssen, so der Richter. Ferner hätten die „dicken Rechnungen“ von 1000 oder 2000 Euro einiges zum Urteil beigetragen. Zum Schluss machte der Richter auch deutlich, dass das Entkräften der Vorwürfe in 59 Fällen den Kempener vor dem Gang ins Gefängnis bewahrt habe: „Bei einer Summe von mehr als 50 000 Euro wäre die Bewährungsfähigkeit zweifelhaft gewesen.“