Kempen „Brexit“: Auch Kempener blicken am Donnerstag auf die Insel
Wirtschaft, Politik und Menschen, die Bezug zu Großbritannien haben, erwarten das Ergebnis des Referendums.
Kempen. Großbritannien und die anderen 26 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) erleben am Donnerstag einen Schicksalstag. Die Wähler in Großbritannien sind dazu aufgerufen, darüber abzustimmen, ob das Königreich in der EU bleibt oder nicht. Die Frage des sogenannten Brexit elektrisiert und spaltet das britische Volk zugleich. Wie erleben Menschen aus Kempen, die einen Bezug zur britischen Insel haben, die aktuelle Diskussion und den heutigen Wahltag. Die WZ hat sich umgehört.
„Grundsätzlich finde ich es gut, dass ein Volk direkt darüber abstimmen darf, wie es in so einer wichtigen Frage weitergeht“, sagt Rachel Thompson, die aus England stammt und mit ihrer Familie in Kempen lebt. „Das ist Demokratie at it’s best.“ Die Debatte auf der Insel aus dem fernen Deutschland zu beurteilen, damit tut sich die Kempenerin aber schwer. Thompson lebt inzwischen seit rund 15 Jahren in Deutschland. „Daher stecke ich nicht intensiv genug in den Debatten auf der Insel drin.“
In Gesprächen mit Familie und Freunden in ihrem Heimatland sei der „Brexit“ zwar Thema, das aber nicht von morgens bis abends. Eine gewisse Spaltung, die auch die Umfragewerte widerspiegeln, hat sie aber festgestellt. „Ich kenne Familien, da ist der Mann für den Austritt und die Frau dagegen.“ Rachel Thompson selbst ist in der Frage „In or out?“ unentschlossen. „Diese Entscheidung sollten in erster Linie die Briten treffen, die in Großbritannien leben. Sie können die Situation und die Auswirkungen am besten beurteilen.“
Ralf Schwartz, Geschäftsführer der Lackwerke Peters in Kempen und Vorsitzender der Unternehmerschaft Niederrhein, beobachtet die Abstimmung in Großbritannien mit großem Interesse. Zwar hätten die Lackwerke Peters als Unternehmen selbst wenige Kontakte zum Vereinigten Königreich. Doch viele Unternehmen der Region seien sehr abhängig vom britischen Markt. Für einige Speditionen wäre ein „Brexit“ eine Katastrophe. Die Auswirkungen seien aber noch schwer einzuschätzen. „Hohe Wogen wird die Abstimmung auf jeden Fall schlagen“, vermutet Schwartz. Bei einem Votum für die EU würden diese allerdings schneller wieder abebben. Entschieden sich die Briten für den Austritt, gingen die Verhandlungen und damit die Zeit der Unsicherheit für die Wirtschaft erst richtig los. Und nicht zuletzt sei es auch für die Europäische Union ein harter Schlag. „Das wäre das Ende der europäischen Idee“, so Schwartz.
Auf dem Papier gibt es zwischen Kempen und dem englischen East Cambridgeshire District (Ely) eine Partnerschaft. Mit Leben ist diese aber schon seit einigen Jahren nicht mehr gefüllt, weiß Otto Birkmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Städtepartnerschaften. Bei den Briten habe es von städtischer Seite keine Zuschüsse und kein Engagement mehr gegeben, erinnert sich Birkmann an den kleinen „Brexit“ für Kempen. Wenige private Kontakte aus den früheren Jahren gebe es noch.
„Schade, dass die Beziehungen eingeschlafen sind“, findet Birkmann, aber zwingen könne man die Partner nicht. Ähnlich sieht er auch die Debatte um den großen „Brexit“. Zwingen könne man die Briten zum Verbleib in der EU nicht. Er sieht die Abstimmung gelassen. Zwar werde es zunächst sicher Turbulenzen beispielsweise auf den Finanzmärkten geben. Aber Birkmann hofft, das danach auch schnell wieder Ruhe einkehren kann.
Pläne, den East Cambridgeshire-Park vielleicht umzubenennen, gab und gibt es auf keinen Fall, so Birkmann. Man habe viele schöne Stunden und Tage miteinander verbracht. Der Name des Parks ist eine Erinnerung daran. Und vielleicht gibt es in Zukunft noch einmal die Chance auf eine Wiederbelebung der Beziehungen.