Erinnerung an Juden aus Grefrath und Oedt 20 Jahre Gedenkstein gegen das Vergessen

Grefrath · Seit zwei Jahrzehnten erinnert an der Kirche St. Laurentius ein Gedenkstein an die Juden aus Grefrath und Oedt, die in der Nazi-Zeit umgebracht oder ins Exil getrieben wurden.

Manfred Messing und Irmgard Tophoven zeigen die Namen der auf dem Gedenkstein verewigten Menschen.

Foto: Axel Küppers

Seit 20 Jahren gibt es in Grefrath einen Gedenkstein, der an die Juden aus Grefrath und Oedt, die im nationalsozialistischen Deutschland zwischen 1933 bis 1945 Opfer menschenverachtender Politik geworden sind. Als die 2,20 Meter hohe Stele aus schwedischem Granit am 7. November 2004 mittags an der Pfarrkirche St. Laurentius eingeweiht wurde, gab es beim Festakt noch Fragezeichen in den Augen der Initiatoren. „Heute können wir mit Gewissheit sagen: Der Stein gehört zu Grefrath“, sagt Irmgard Tophoven. Die 83-Jährige hat gegen Bedenkenträger und Kritiker eine Erinnerungskultur für Grefrath begründet, die über den Niederrhein hinaus bis in die USA ausgestrahlt hat.

„Die Geschichte des Gedenksteins beginnt viel früher“, berichtet die gebürtige Kaldenkirchenerin, die bis zu ihrer Pensionierung 2001 am Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium in Viersen Geschichte und Deutsch unterrichtet hat. Initialzündung war die Israelreise unter Leitung ihres Ehemanns Rolf Tophoven im Jahr 1987 mit Kaplan Alexander Schweikert. „Wir haben daraufhin unter dem Motto ,Erinnern und Versöhnen‘ einen ökumenischen Kreis engagierter Mitglieder gegründet, der christliche und jüdische Themen aufgriff“, erinnert sich Irmgard Tophoven.

Die Geschichte der Juden in der Niersgemeinde stand im Fokus. „Es waren Landjuden, die ab 1686 in Oedt und ab 1851 in Grefrath Berufe wie Weber, Metzger, Viehhändler, Kaufleute und Kleingewerbetreibende ausübten“, erzählt die Grefratherin. Einer davon war Alfred Levy, im Jahr 1910 Gründer des SV Grefrath und erster Vorsitzender des Sportvereins. Sein Name ist mit 24 weiteren auf dem Stein verewigt. Es sind 25 namentlich bekannte Menschen, die im Nazi-Terror umgebracht oder ins Exil getrieben wurden.

Nachdem sich der Pfarrgemeinderat von St. Laurentius im Frühjahr 2000 zu einer Gedenkstätte an zentraler Stelle im Ort bekannt hatte, hielt der ökumenische Arbeitskreis Ausschau nach einem Künstler, der dem Platz vor der Kirche zur Hohe Straße hin die angemessene Würde und den gestalterischen Ausdruck verleihen konnte.

Der Kempener Steinmetz- und Bildhauermeister Manfred Messing hatte ein Jahr zuvor den Staatspreis NRW für das Kunsthandwerk verliehen bekommen. In seinem Entwurf, den der heute 58-Jährige für Grefrath vorlegte, fand Messing einen Zugang zu dem sensiblen Thema. „Es wird ein Quader aus einem Stein herausgelöst. Der Stein entstammt einem Ganzen. Auch die Juden wurden aus der Gesellschaft herausgelöst, ausgegrenzt.“ Die Tor-Symbolik weist den Weg in eine bessere Zukunft. Auf Augenhöhe steht im Granit ein Wort des früheren Aachener Bischofs Klaus Hemmerle: „Und die Meinen haben es getan“. Unter den 25 Namen ist ein Spruch des Propheten Jesaja (56,5) eingemeißelt: „Einen ewigen Namen gebe ich Ihnen, der niemals ausgetilgt wird.“

Ergreifendster Moment jeder Gedenkfeier ist immer das Nennen der 25 Namen. Dazu legen Vertreter der Parteien Rosen am Mahnmal nieder. „Dabei wird stets deutlich, wie nachhaltig Erinnerung sein kann“, sagt Irmgard Tophoven zurückblickend. Ein Lernort war geschaffen, der auf vier Säulen fußt: Erinnern – Gedenken – Mahnen – Umdenken. Auch vielen jungen Menschen – nicht nur aus Grefrath – ist seitdem das Schicksal der jüdischen Mitbürger der Gemeinde nähergebracht worden. Für Irmgard Tophoven ist es eine Freude zu sehen, wie liebevoll die Laurentius-Gärtner montags die Anlage um den Gedenkstein pflegen und ein waches Auge auf die Stele werfen. Der Stein ist angewittert, manchmal sind oben Steine abgelegt als Ausdruck der Wertschätzung und Andeutung, dass die Opfer nicht vergessen sind. Die Initiative von Grefrather Christen, unterstützt von den katholischen Pfarrgemeinden St. Laurentius Grefrath, St. Josef Vinkrath und der evangelischen Kirchengemeinde Grefrath/Oedt, darf 20 Jahre später als nachhaltiger Akt der Versöhnung beurteilt werden.