Tank in Chemie-Unternehmen explodiert

Kempen · In Kempen kam es am Sonntagmorgen zu einem Unfall bei Byk-Chemie im Industriegebiet. Nach einer Explosion in einem Tank entwickelte sich ein Brand. Vorübergehend wurden umliegende Gebäude evakuiert.

Die Rauchwolke war weit über den Unfallort hinaus zu sehen, auch aus dem Umland melden Bürger Sichtungen.

Foto: Norbert Prümen

(biro) In Kempen ist es am frühen Sonntagmorgen zu einem Unfall auf dem Gelände der Firma Byk-Chemie GmbH im Industriegebiet Am Selder gekommen. Alarmiert wurde die Feuerwehr über die Gefahrenmeldeanlage um 6.47 Uhr. Als die ersten Einsatzkräfte am Industriering Ost eintrafen und im Gebäude die Lage erkundeten, hätten sie eine Art Nebel wahrgenommen und Geräusche gehört, so Feuerwehr-Sprecher Christian Ullmann. Dann kam es zu einer Explosion in einem von 15 Tanks, die in der Halle gelagert waren. Acht Wehrleute wurden dabei leicht verletzt. Fünf konnten weiter im Einsatz bleiben, drei wurden mit Knalltrauma und Verdacht auf Rauchgasvergiftung vorsorglich ins Krankenhaus gebracht, konnten es am Mittag aber wieder verlassen.

Die Firma, deren Hauptsitz sich in Wesel befindet, stellt am Standort in Kempen Zusatzstoffe, so genannte Additive, für Farben und Lacke her, die zum Beispiel die Kratzfestigkeit von Autolacken erhöhen oder in der

Die Feuerwehr war mit rund 250 Kräften aus dem gesamten Umland im Einsatz.

Foto: Norbert Prümen

Oberflächenveredelung von Papier zum Einsatz kommen, teilte ein Unternehmenssprecher mit. In dem oberirdischen Tank, der nach Unternehmensangaben rund 10 000 Liter fassen kann, aber nicht ganz gefüllt war, befand sich ­Toluol-2,4-diisocyanat (kurz: TDI). Dieser Stoff werde als wichtiger Baustein zur Herstellung von unterschiedlichen Produkten in der Kunststoffindustrie eingesetzt, wie etwa für Schäume für Matratzen und Bauanwendungen, so der Sprecher.

Die Feuerwehr löschte den Brand an der Halle auch von der Drehleiter aus. Durch die Detonation hatte sich das komplette Dach gelöst.

Foto: Norbert Prümen

Es wurde per Warn-App
und Cell Broadcast gewarnt

Anwohner im Kreis Viersen erfuhren von der Gefahrenlage durch die Warn-App Nina und per Cell Broadcast: Zahlreiche Smartphones meldeten am Morgen, es gebe eine Gefahrenlage in Kempen, man solle Fenster und Türen geschlossen halten, Lüftungs- und Klimaanlagen ausschalten. Die Rauchwolke zog in Richtung St. Hubert und Hüls. Am Mittag konnten der Kreis Viersen und die Feuerwehr Krefeld nach Luftmessungen Entwarnung geben, die Ergebnisse seien negativ.

Durch die Detonation sei das Dach des Lagergebäudes „komplett fliegen gegangen“, berichtete Kempens Feuerwehrchef Franz-Heiner Jansen, „es hat sich durch die Detonation verselbstständigt.“ Schon am frühen Morgen rückten rund 250 Wehrleute von Feuerwehren aus der gesamten Umgebung zum Unfallort aus, die Stadt Kempen richtete ein Krisenzentrum im neuen Rathaus an der Schorndorfer Straße ein. Über den Nachmittag hinweg war der Brand zwar gelöscht, das Lagergebäude für die Experten der Wehr aber nicht zu betreten: Gebäudeteile könnten abstürzen, so Jansen.

So galt es für die Wehr zunächst, die havarierten Gebäudeteile und Tankbehälter zu begutachten. Zur Unterstützung wurden neben Drohnen der Feuerwehren aus Nettetal und Willich auch besondere Käfigdrohnen aus Dortmund nach Kempen beordert. Diese sind mit einem Käfig umgeben, was verhindern soll, dass die Drohnen an Gebäudeteilen oder Tanks anecken und so einen Funkenschlag auslösen. Mit Hilfe dieser Käfigdrohnen wollten die Experten das Innere des Gebäudes erkunden, um sich ein Bild des Schadens zu machen.

Unklar war zunächst, ob es zu weiteren Vorfällen im Gebäude kommen könnte. Nach einer Lagebesprechung am Mittag beschloss der Krisenstab um Kempens Bürgermeister Christoph Dellmans (parteilos), die umliegenden Gebäude in einem Radius von 250 Metern um den Unfallort zu evakuieren. Betroffen waren etwa 74 Personen. Für sie hatten das Deutsche Rote Kreuz und der Malteser Hilfsdienst eine vorübergehende Bleibe im Rhein-Maas-Berufskolleg an der Kleinbahnstraße eingerichtet, sofern sie nicht bei Familie oder Freunden unterkommen konnten. Im weiteren Umkreis von 500 Metern um die Unfallstelle wurden am Nachmittag keine Passanten oder Autofahrer mehr eingelassen, einzig Anwohner durften noch zurück zu ihren Wohnungen. Kurz vor 19 Uhr konnte Dellmans dann mitteilen, dass die Anwohner in ihre Wohnungen zurückkehren könnten.

Nach einer letzten Lagebesprechung am Abend und der Bewertung der Drohnenbilder konnten Feuerwehr und Stadt für die Bevölkerung erstmal Entwarnung geben: „Wir gehen nicht davon aus, dass sich etwas weiter bewegen wird“, so Feuerwehr-Sprecher Ullmann. Die Absperrungen würden zurückgenommen, einzig St. Huberter Straße und Industriering Ost blieben noch für die Zeit der Aufräumarbeiten gesperrt. Der Gefahrenbereich werde auf das Werksgelände beschränkt. Die in dem Lagergebäude verbliebenen Chemikalien-Tanks sollen in den kommenden Tagen geleert werden, da Ventile und Pumpen daran beschädigt sein könnten. Dafür haben Fachleute der Feuerwehr und Mitarbeitende des Unternehmens nun eine „Task Force“ gegründet.

Die Feuerwehr hielt über Nacht einen Löschzug auf dem Werksgelände in Bereitschaft. Das Unternehmen Byk-Chemie tue alles, um Bürger und Umwelt zu schützen, versicherte Jörg Issberner vom Krisenstab des Unternehmens. So seien sofort Saugwagen angefordert worden, um das kontaminierte Löschwasser aufzunehmen. Das Tiefbauamt der Stadt kontrollierte, ob Stoffe in den Kanal gelangt sein könnten. Neben den Einsatzkräften der Feuerwehr waren auch rund 60 Kräfte der Polizei sowie 40 von Hilfs- und Rettungsdiensten im Einsatz.