Jiddische Musik und Gedichte von Mascha Kaléko Frühlingsgefühle in St. Peter
Kempen · (tg) Jiddische Musik ist „in“. Diesen Schluss jedenfalls legt der große Andrang nahe, unter dem das Trio Bernshteyn am Sonntag in der Kapelle St. Peter auftrat. Etliche Zuhörer hatten nur noch Stehplätze ergattern können, als Ute Bernstein (Geige, Gesang, Rezitation), Achim Lüdeke (Gitarre, Gesang) und Peter Hohlweger (Akkordeon) zu ihren Instrumenten griffen.
In ihrem „der Liebe gewidmeten“ Programm begaben sich die drei Musiker auf die Spuren der deutschsprachigen jüdischen Lyrikerin Mascha Káleko (1907-1975). Gebürtig aus Galizien, war sie in der Weimarer Republik eine wichtige Vertreterin der Neuen Sachlichkeit, bevor sie angesichts des NS-Terrors 1938 in die USA emigrierte. Von dort wanderte sie 1960 mit ihrem Mann nach Israel aus.
Das Emigrantenschicksal und die Suche nach menschlichen Bindungen erscheinen als Leitfäden für das Verständnis ihres Werkes. Die von Ute Bernstein sensibel vorgetragenen und von einer kurzweiligen Moderation begleiteten Gedichte gaben einen Eindruck davon, wie es Kaléko gelingt, mit einer ihr eigenen Nonchalance Freude und Trauer, Wehmut und Sehnsucht Ausdruck zu geben. Sehr passend hierzu ist die Passage aus dem wunderbar fröhlichen „Sozusagen grundlos vergnügt“, in der es heißt: „Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter / Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter“. Die aus der Tradition des osteuropäischen Judentums stammende Klezmer-Musik erschien als passende Ergänzung zu den Textbeiträgen, da auch sie unter dem Mantel der Unbeschwertheit den Abgründen der menschlichen Seele nachspürt. Das Trio brachte die Dynamik sowie das improvisatorische und tänzerische Element, die diese Musik auszeichnen, mit viel Hingabe zum Ausdruck. Besonders Peter Hohlweger am Akkordeon wusste dabei zu überzeugen. Dass einige Details wie das Klezmer-typische Glissando oder das manchmal etwas schleppende Tempo nicht immer hundertprozentig saßen, mochte man den Musikern angesichts der Leidenschaft, mit der sie bei der Sache waren, gerne nachsehen.
Sehr hilfreich waren die Erläuterungen, die Bernstein zu den jiddischen Liedtexten gab, die sich ebenfalls mit den Themen Liebe und Erinnerung beschäftigten und im begeistert aufgenommenen Gassenhauer „Bai mir bistu shen“ gipfelten. Es hatte etwas Anrührendes, wenn an dem Ort, der die Keimzelle des christlichen Lebens in Kempen war, zu Beginn der Karwoche Musik und Worte aus einer versunkenen jüdischen Welt erklangen, auch wenn diese sicherlich dem Erfahrungshorizont des heutigen Publikums weit entrückt ist. Am Ausgang sammelte der Förderverein St. Peter Spenden für Action Medeor zugunsten der Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien.