Schlechte Haushaltslage Kempens Kämmerer muss den Rotstift zücken
Kempen · Eine Haushaltssperre wird es in Kempen nun doch nicht geben. Dennoch werden ab sofort Ausgaben über 25 000 Euro geprüft.
Eine formelle Haushaltssperre wird es dann doch nicht. Aber dennoch müssen Dezernenten, Ämter und Referate im Kempener Rathaus ab sofort finanziell einschränken. Angesichts eines drohenden Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) – womöglich schon ab 2021 – hat Kämmerer Jörg Geulmann für das laufende Haushaltsjahr eine Bewirtschaftungsvergügung erlassen. Das teilte die Stadt Kempen. Im Stadtrat am 23. Juni hatte Geulmann noch davon gesprochen, die Haushaltssperre vorzubereiten. Er hält aber die Verfügung für das geeignete Mittel. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Vorgehen unsere Sparziele erreichen können“, so der Beigeordnete auf Nachfrage der WZ.
In der Umsetzung bedeutet die Verfügung, dass alle Ämter und Referate bis Ende des Jahres Ausgaben ab 25 000 Euro mit der Kämmerei abstimmen müssen, so Geulmann. „Freiwillige Leistungen werden dahingehend begrenzt, dass Leistungsausweitungen zunächst zurückgestellt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem Rathaus. Geplante Investitonsprojekte sollen – wie im Haushalt 2020 geplant – fortgeführt werden. „Insbesondere die Investitionen im Schul- und Kitabau und auch andere Großinvestitionen sollen grundsätzlich umgesetzt werden“, so die Stadt. Zu nennen ist hierbei sicherlich der geplante Holzmodul-Neubau für die Gesamtschule auf dem jetzigen Standort der ehemaligen Hauptschule. Dort sollen die Abrissarbeiten des Altgebäudes in Kürze beginnen.
Im Zuge der Verfügung würden die Ausgaben der Stadt auf eine mögliche Verschiebung hin überprüft. Ausgaben müssten sachlich und zeitlich begründet werden, so Geulmann. Sein Beispiel: „Wenn in einem städtischen Gebäude die Fensterscheiben zerstört sind, werden wir den Schaden natürlich beheben“, so der Kämmerer. Abgestimmt werden müsste dann, ob es eine Einfach-, Zweifach- oder Dreifachverglasung sein soll bzw. darf.
„Die neue Verfügung des Stadtkämmerers bezweckt die Konzentration der Mittel auf notwendige Maßnahmen zur Sicherung von vielen für das Kempener Gemeinwesen wichtigen Strukturen im Sport-, Kultur-, Jugend- und Sozialbereich“, teilt die Stadt mit. „Neue Aufwendungen sollen zunächst – angelehnt an die gesetzlichen Regelungen zur vorläufigen Haushaltsführung – nur entstehen, wenn sie zwingend notwendig und unaufschiebbar sind.“ Auf Nachfrage ergänzte Jörg Geulmann, dass neue Projekte, die noch nicht im Haushalt eingeplant sind nur mit größter Vorsicht angegangen werden könnten. Eben nur, wenn sie nicht unaufschiebbar seien.
Mit der nun erlassenen Verfügung nimmt die Verwaltungsführung sich selbst und alle verantwortlichen Mitarbeiter in die Verantwortung, Sparpotenziale aufzudecken und zu nutzen, heißt es in der Mitteilung aus der Pressestelle. Dies sei die effektivere Lösung als pauschale Sperren und aufwendige Genehmigungsverfahren anzuwenden.
Wie in der vergangenen Woche berichtet, droht Kempen langfristig ein Finanzproblem. Angesichts des aufgezehrten Eigenkapitals hatte Kämmerer Geulmann schon bei der Haushaltseinbringung 2019 vor möglichen Folgen ab 2023 gewarnt. Das Thema Corona habe das Problem nun verschärft, so Geulmann in der jüngsten Ratssitzung. So werden der Stadt voraussichtlich in diesem Jahr rund 3,9 Millionen Euro an Steuereinnahmen fehlen. Ob und wie diese von Land und Bund ausgeglichen werden, sei noch offen. Daher sei nun Vorsicht und Achtsamtkeit geboten. Ziel sei, das Haushaltssicherungskonzept zumindest für 2021 zu verhindern. „Es werden intensive Monate werden“, so Geulmanns Blick bis in den Dezember, wenn der Etat 2021 eingebracht werden soll.
Kommunen, die sich im HSK befinden, sind nicht mehr ihr eigener Herr über die Finanzen. Sämtliche Ausgaben müssten von übergeordneter Stelle genehmigt werden. Für Kempen würde das HSK eine Einsparungsverpflichtung von 50 Millionen Euro in zehn Jahren bedeuten. In dieser Dekade müsse die Stadt einen Maßnahmenkatalog zur Einsparung umsetzen. Im Kreis Viersen war es bis ins vergangene Jahr hinein die Gemeinde Grefrath, die ihren Haushalt über das HSK sanieren musste.