Konzert: Wenn die Geigen weinen

Eine volle Paterskirche und herzlicher Applaus: Die Markus-Passion ging vielen unter die Haut.

Kempen. Mit der Markus-Passion des Barock-Komponisten Reinhard Keiser hatte sich die Evangelische Kantorei ein ungewöhnliches Werk zur Aufführung in der Paterskirche ausgesucht. Der zu Lebzeiten (1674-1739) hoch gelobte, heute weniger bekannte Keiser war Vorbild für Johann Sebastian Bach - dieser hat die Markus-Passion drei Mal aufgeführt und auch selbst bearbeitet.

Mit den berühmteren Passionen von Bach lässt sich die Markus-Passion trotzdem nicht verwechseln: Mit einer guten Stunde Dauer ist Keisers Werk vergleichsweise kurz, Arien und Choräle setzen nur wenige Ruhepunkte, und die Handlung wird durch Rezitative rasch vorangetrieben.

Die meiste "Arbeit" hatte somit Tenor Stephan Boving, der einen beeindruckenden Evangelisten abgab. Den umfangreichen Bibeltext präsentierte er mit dramatischer Deutlichkeit und vermittelte den Zuhörern die vielschichtigen Stimmungen der Leidensgeschichte Christi. Nicht minder souverän war Gregor Finke als Jesus mit ruhigem und würdevollem Bass.

Sopranistin Karin Schulte war die einzige Frau unter den Solisten; die Alt-Passagen übernahm der junge Counter-Tenor Andreas Post. Er meisterte die Rollen der Widersacher Jesu (Judas, Hohepriester) mit meist sicherer Falsett-Stimme - das Publikum staunte.

"Diesen Part habe ich ganz bewusst mit einem männlichen Sänger besetzt", so Konzertleiterin Stefanie Hollinger hinterher. "Es sind ja männliche Rollen, und das ,falsche’ an der Stimme unterstreicht ihren Charakter."

Hollinger dirigierte nicht nur die Evangelische Kantorei und das Kempener Kammerorchester, das vom ersten Moll-Akkord bis zum abschließenden "Amen" einen exzellenten Klangteppich wob- bei der Tenor-Arie "Wein’, ach wein’ jetzt um die Wette" hörte man auch die Geigen förmlich weinen.

Die Chorgemeinde Uerdingen verstärkte den Kempener Chor, so dass sich über 50 Sänger auf der Bühne eingefunden hatten. Ob als lästerndes Volk oder in den glaubensvollen Chorälen agierten die Chöre ausdrucksvoll und präsent.

Fünf ganze Minuten Applaus aus dem vollbesetzten Kirchenschiff verabschiedete die Akteure.