Möhlenring-Prozess: Warum nicht sofort ins Gefängnis?

Die WZ erklärt das Urteil im Möhlenring-Prozess.

Kempen. Nach dem Urteil gegen einen 51-jährigen Kempener, der am 14. Februar eine Frau am Möhlenring zusammengeschlagen hat, stellen sich viele WZ-Leser eine Frage: „Warum muss der Mann nicht sofort ins Gefängnis?“ Der Kempener wurde am Dienstag zu dreieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Die sofortige Vollstreckung des bestehenden Haftbefehls lehnte die Richterin am Krefelder Amtsgericht aber ab.

„Es ist juristisch völlig normal, dass ein Haftbefehl nach einem Urteil vorerst aufgehoben wird“, erklärte am Mittwoch Gerichtssprecher Manfred Bacht auf Anfrage der WZ. Ein Verurteilter dürfe solange in Freiheit bleiben, bis das Urteil rechtskräftig ist. Es könne zum Beispiel noch Berufung gegen das Urteil eingelegt werden.

Für eine sofortige Vollstreckung eines Haftbefehls müssen laut Bacht verschiedene gesetzliche Voraussetzungen erfüllt werden. „Da gibt es zum einen den Punkt der Verdunkelungsgefahr. Dies trifft nach einer Verurteilung in der Regel nicht mehr zu“, so der Sprecher. Zwei weitere Gründe für einen sofortigen Vollzug können Wiederholungs- oder Fluchtgefahr sein.

Diese beiden Aspekte hatte die Richterin schon am Dienstag in ihrer Urteilsbegründung ausgeschlossen. Unter anderem, weil sich der 51-Jährige nach einer zweimonatigen Zwangsunterbrigung in einer Psychiatrie im Sommer nichts mehr hat zuschulden kommen lassen.

Gegenüber der WZ hatte der Pflichtverteidiger des Verurteilten schon am Dienstag ein Berufungsverfahren angekündigt. Er wolle gegen das Urteil, das dem Täter demnächst per Post zugestellt wird, Berufung einlegen. Im Prozess hatte der Verteidiger eine Bewährungsstrafe von unter zwei Jahren gefordert. Das Gericht folgte aber beim vorgeschlagenen Strafmaß der Staatsanwaltschaft: Drei Jahre und sechs Monate wegen gefährlicher Körperverletzung. Bei diesem Delikt gibt der Gesetzgeber ein Strafmaß zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor.

Wann es zu einem Berufungsverfahren kommt, ist unklar. Der Anwalt des 35-jährigen Opfers (Nebenklägerin) geht von vier bis fünf Monaten aus. Bis dahin bleibt der Verurteilte auf freiem Fuß, wenn er keine Straftat begeht. Für diesen Fall machte die Richterin dem Mann klar: „Dann sind Sie schneller in Haft, als Sie denken können.“ tkl