Bahnverkehr in Kempen und Krefeld Poker um den Niers-Express: Darum haben Pendler wieder gute Karten

Kempen/Krefeld · Noch gibt’s Probleme beim RE10. Durch ein steigendes Interesse der Deutschen Bahn und des französischen Konkurrenten Transdev könnte sich das bald ändern. Eine Analyse.

Für Pendler aus dem Kreis Viersen ist der Kempener Bahnhof der Startpunkt auf dem Weg nach Krefeld und Düsseldorf.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer hat es schon im Dezember getan. Ebenso nun sein SPD-Kollege Udo Schiefner. Die beiden Parlamentarier aus dem Kreis Viersen haben sich mit zwei Top-Managern der Deutschen Bahn (DB) getroffen: Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla und NRW-Konzernbevollmächtigter Werner Lübberink. Ein wichtiges Thema: der RE 10 (Niers-Express) und die Probleme, die dort seit Jahren bestehen. Zum einen sind Technik und Schienennetz der Strecke zwischen Kleve und Düsseldorf mit Haltepunkten in Kempen und Krefeld veraltet. Zum anderen hat die Nordwestbahn (NWB), die noch bis 2025 den Beförderungsvertrag hat, immer wieder personelle Probleme. Kurzum: Die Lage für die Pendler aus den Kreisen Viersen und Kleve sowie aus Krefeld in Richtung Düsseldorf ist alles andere als rosig.

Deutsche Bahn will dreistelligen Millionenbetrag investieren

Das kann sich aber in ein paar Jahren ändern. Denn die vermehrten Politiker-Treffen und die darin geäußerten Statements der Bahn-Vertreter deuten auf eine rosige Zukunft für den Niers-Express hin. „Pofalla und Lübberink bekräftigten, dass sich die Bahn der Bedeutung der Strecke Niers-Express für die Region bewusst ist“, heißt es in einer Mitteilung aus dem Büro Schiefner. „Durch Investitionen in Strecke, Bahnübergänge und Verkehrsstationen in dreistelliger Millionenhöhe soll dem in den folgenden zehn Jahren Rechnung getragen werden. In enger Abstimmung und mit Unterstützung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) und des Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen konnte darüber hinaus die Vorplanung für eine mögliche Erneuerung von Stellwerken und Bahnübergängen zwischen Kleve und Krefeld auf den Weg gebracht werden.“

Deutsche Bahn wirft für 2025 ihren Hut in den Ring

Sätze, mit denen man noch vor ein oder zwei Jahren nicht rechnen konnte. Das Interesse der DB am RE 10 war gering. Die technischen Ausfälle auf der Strecke, unter denen Konkurrent NWB und die Kunden zu leiden hatten und haben, wurden eher geflickt als zukunftsweisend analysiert. Nun ist die Lage aus vielerlei Gründen anders.

Zunächst rückt das Vertragsende der NWB mit dem VRR in 2025 immer näher. Und die Deutsche Bahn hat großes Interesse, die beliebte Pendler-Strecke vom Niederrhein in die Landeshauptstadt wieder zu übernehmen. Bereits im Dezember deuteten Pofalla und Lübberink gegenüber Schummer an, dass die Deutsche Bahn in der Lage sei, die Strecke sogar kurzfristig – womöglich innerhalb eines halben Jahres – übernehmen zu können. Auch wenn es dazu nicht kommen wird, wirft die DB nun eindeutig den Hut in den Ring, um wieder eigene Züge auf der eigenen Strecke fahren zu lassen.

Um 2025, jedoch spätestens einige Jahre danach, ein gutes Angebot zwischen Kleve und Düsseldorf auf die Beine stellen zu können, muss aber kräftig investiert werden. Das weiß die Bahn. Und sie weiß auch, dass im Zuge von Stärkungsoffensiven für den ÖPNV Mittel aus Düsseldorf und Berlin zur Verfügung stehen werden. Hier kommt unter anderem Hendrik Wüst (CDU) ins Spiel. Der NRW-Verkehrsminister war bereits im Oktober 2017 auf Vermittlung des Landtagsabgeordneten Marcus Optendrenk zu einem CDU-Gesprächsabend im Kempener Kolpinghaus. Seine damaligen Aussagen, sich um die Probleme zwischen Kleve und Krefeld zu kümmern, nehmen inzwischen Formen an. „Wenn dieses und nächstes Jahr bei Politik und Behörden Beschlüsse gefasst werden, dann kann die Strecke 2030 in einem modernen Zustand sein“, berichtete der WZ jüngst ein Insider.

Pofallas Heimatstädtchen Weeze mit Haltepunkt des RE 10

Ein weiterer Grund dafür, dass die ländliche Strecke in den Fokus der Entscheider in den Metropolen rückt, ist die Pflicht der Politik die Verkehrswende voranzutreiben. In diesem Zusammenhang dürfte es schon Gespräche zwischen CDU-Minister Wüst und dem früheren Kanzleramtsminister Pofalla gegeben haben. Der Infrastrukturvorstand der DB stammt bekanntlich obendrein aus Weeze und war lange Jahre Abgeordneter der CDU im Kreis Kleve. Pofallas Heimatstädtchen hat nicht nur einen defizitären Flughafen, sondern auch einen Haltepunkt für den Niers-Express.

NWB-Eigentümer Transdev mit großem Interesse am Markt

Positiv gestimmt dürfen die Pendler aus Kempen oder Krefeld nicht nur angesichts des steigenden DB-Interesses sein. Auch vonseiten der Nordwestbahn wird in den Gremien immer wieder deutlich gemacht, dass man den Niers-Express 2025 keineswegs kampflos wieder hergeben möchte. Um dies zu untermauern, muss man sich die Unternehmensstruktur der NWB anschauen. Die Nordwestbahn mit Sitz in Osnabrück ist eine Tochter des französischen Eisenbahn-Giganten Transdev. Und von diesem Konzern gehören seit Oktober 34 Prozent der Anteile der westfälischen Unternehmerfamilie Rethmann. Schlappe 340 Millionen Euro hat sich die Rethmann-Gruppe, bekannt für den Müll-Riesen Remondis, kosten lassen. Rethmann will mit der Transdev-Offensive nun der Deutschen Bahn das Fürchten lehren. „Der Schienen- und Busverkehr soll die vierte Säule des Konzerns neben Entsorgung, Logistik und Energie werden“, schrieb die „Rheinische Post“ im Herbst.

Oder wie es Transdev-Chef Thierry Mallet im September gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ ausdrückte: „Der Plan ist, dass uns Rethmann hier Türen öffnet. Das Unternehmen ist dank des Entsorgungsgeschäfts bestens in den deutschen Kommunen verdrahtet. Mit einigen Städten suchen wir gerade behutsam das Gespräch. Wir bieten nicht nur die bloße Transportleistung, sondern optimieren das gesamte Liniennetz, indem wir es bei Bedarf neu konzipieren. In Frankreich oder den Niederlanden sparen wir den Kommunen dadurch erhebliche Summen.“ Möglicherweise auch für die Kommunen im VRR-Gebiet zwischen Kleve und Düsseldorf.

Die Ausschreibung zum RE 10 dürfte 2023 beginnen

Angesichts dieser Entwicklungen sind die Überlegungen zu technischen Verbesserungen auf der Strecke und zum tatsächlichen Betrieb des Niers-Expresses bereits in vollem Gange. Unter dem Stichwort „Innovative Antriebe“ läuft bereits seit Mai 2018 ein vom VRR koordiniertes Verfahren für technische Weiterentwicklungen. Dabei geht es um die schon erwähnten Entscheidungen, die dieses oder nächstes Jahr fallen sollten. „Das Ausschreibungsverfahren läuft“, bestätigt ein Sprecher des VRR. Eine Ausschreibung für einen Transport-Vertrag beginnt in der Regel zwei Jahre vor Ende der laufenden Vereinbarung. Im Fall des RE 10 also 2023. Dann geht der Poker um den Niers-Express in die heiße Phase. Ein Spiel, in dem die Pendler gute Karten haben werden.