Rettungswachen Rettungsdienst: Kempen lehnt Kreis-Plan ab
Kempen/Kreis Viersen · In der Nacht soll Kempen ein Rettungswagen abgezogen werden. Dafür soll Tönisvorst einen zusätzlichen bekommen. Das sehen die Planungen des Kreises Viersen vor. Die Stadt kann diesen Vorschlag nicht nachvollziehen. Deswegen bestehen große Spannungen.
Um den Rettungsdienstbedarfsplan und mögliche Veränderungen daran wird zwischen den Kommunen und der Kreisverwaltung in Viersen eigentlich seit Jahrzehnten gerungen. Meist wird dann doch Einigkeit erzielt. In der Arbeit an der aktuellen Neuaufstellung des Plans bestehen aber gravierende Differenzen zwischen der Stadt Kempen und dem Kreis Viersen. Mit dem Ergebnis, dass die Kempener Verwaltung mit dem vorgelegten Plan des Kreises kein Einvernehmen erzielen wird. Am Mittwochmorgen habe man dies dem zuständigen Dezernenten im Viersener Kreishaus, Andreas Budde, mitgeteilt, so Beigeordneter Jörg Geulmann und Ordnungsamtsleiter Michael Steckel am Nachmittag auf Anfrage der WZ.
Stadt verweist auf steigende Einsatzzahlen in Kempen/Grefrath
Wie bereits im Februar berichtet, soll die Kempener Rettungswache, die von der Stadt betrieben wird, künftig in der Nacht nur noch zwei Rettungswagen (RTW) zur Verfügung haben. Bislang sind es drei. Dafür sollen in der neuen Wache in Tönisvorst, die vom Kreis betrieben wird, zwei sogenannte 24/7-RTW stationiert werden – einer mehr als bislang. Der Kreis Viersen begründet dies in seiner Vorlage damit, dass es im Bereich Tönisvorst weiterhin Probleme bei der Einhaltung der vorgeschriebenen Hilfsfristen gebe. Ferner seien die nächtlichen Einsätze der Kempener Wache zurückgegangen, weil der Tönisvorster Standort Mitte 2019 an den Start gegangen sei. Bis dahin wurde das Tönisvorster Stadtgebiet von Kempen aus versorgt. Für Kempen solle es daher künftig zwei 24/7-RTW geben und einen Wagen, der nur im Tagdienst zwischen 8 und 20 Uhr eingesetzt wird.
An dieser Argumentation hat die Stadt Kempen große Zweifel. Zumal die Zahlen des derzeitigen Versorgungsgebietes „Kempen und Grefrath“ eine andere Sprache sprechen. Nach Angaben von Steckel und Geulmann sind die Einsatzzahlen in 2019 im Vergleich zu 2018 für Kempen und Grefrath gestiegen: von 4560 auf 4727. Wenn man sich nur die nächtlichen Einsätze ansieht, sei ebenfalls ein Anstieg erkennbar: von 1406 auf 1551. „Angesichts einer Steigerung von 9,35 Prozent ist für mich nicht plausibel, warum man in der Nacht ein Fahrzeug aus Kempen abziehen will“, so Steckel.
Ebenso gibt die Stadt Kempen zu bedenken, dass das Einsatzgebiet der Kempener Wache wesentlich größer sei als das der Kollegen in Tönisvorst. In Kempen und Grefrath mit allen Ortsteilen müssten auf 99,78 Quadratkilometern etwa 50 000 Einwohner versorgt werden. Demgegenüber stünden für Tönisvorst zirka 30 000 Einwohner auf 44,34 Quadratkilometern.
Kempen: Gefahr, Versorgung
nicht gewährleisten zu können
Ferner befinden sich im Bereich der Kempener Wache zwei Ortsteile, in denen die Hilfsfristen schon jetzt nicht in ausreichender Zahl eingehalten werden könnten. Die Rede ist vom Kempener Stadtteil Tönisberg und vom Grefrather Ortsteil Vinkrath. Obendrein habe Kempen als Grenzstadt zu Krefeld und zum Kreis Kleve auch dort Aufgaben zu übernehmen. „Durch die vorgelegte Reduzierung sehe ich die Gefahr, die Sicherheit der Bevölkerung nicht mehr ausreichend gewährleisten zu können“, sagt Amtsleiter Steckel. „Aus all diesen Gründen sehen wir keine Veranlassung, dass die Anzahl in Kempen reduziert werden sollte“, so Jörg Geulmann. Drei Fahrzeuge im 24-Stunden-Dienst müssen aus Sicht der Stadt beibehalten werden.
Kempen hat wenig Verständnis für eine Dringlichkeitssitzung
In den Gesprächen mit dem Kreis Viersen seien diese Argumente in den vergangenen Monaten aber alle als „sachfremd“ abgelehnt worden. Der Kreis beharre auf seinen Statistiken und wolle die Veränderungen durchsetzen. Ebenso stören sich die Verantwortlichen in Kempen am zeitlichen Ablauf. Am Druck, der nun ohne Not erzeugt werde. Denn Landrat Andreas Coenen und Dezernent Andreas Budde wollen den Bedarfsplan am heutigen Donnerstagabend mit dem Hinweis auf Dringlichkeit vom Kreisausschuss beschließen lassen. Dazu soll es eine „Dringlichkeitssitzung“ unter Einhaltung der Corona-Abstandsregeln geben. Um 18 Uhr sollen die Politiker im Forum des Kreishauses erscheinen. „Die Neuaufstellung des Rettungsdienstbedarfsplans war eigentlich schon vor mehr als zwei Jahren vorgesehen“, so Steckel. Ende 2019 sei es dann in vertiefende Gespräche gegangen. „Und jetzt soll das mitten in der Corona-Krise per Dringlichkeitsbeschluss entschieden werden?“, so Steckel, der dies genauso wie Jörg Geulmann nicht nachvollziehen kann. Alle Beteiligten könnten sich eher noch zwei oder drei Monate Zeit nehmen, um eine Einigung zu erzielen.
In der Sitzungsvorlage für den Kreisausschuss ist die Rede davon, dass die Stadt Kempen am 3. März mündlich in Aussicht gestellt habe, ihr Einvernehmen zu erklären. Und dass nur noch die formale Zustimmung fehle. Geulmann und Steckel verneinen dies. Nach dem Gespräch mit dem Kreis Viersen habe es keineswegs ein zustimmendes Signal gegeben. Zudem hätte man in Kempen auch noch politische Beratungen abwarten müssen. Dies sei dann wegen der Corona-Pandemie schwierig umzusetzen gewesen.
Der Kreis Viersen argumentiert in der Vorlage, die Stadt Kempen an die schriftliche Stellungnahme erinnert zu haben. Zuletzt am 7. April.
Andere Kommunen haben
bereits ihr Einvernehmen erklärt
Die anderen Kommunen im Kreis haben indes bereits ihre schriftliche Zustimmung gegeben. Auch die Stadt Willich hat keine ablehnende Stellungnahme abgegeben. Dort soll die Wache in Alt-Willich statt zwei künftig nur noch einen 24/7-RTW haben. Laut Kreis-Vorlage steht ebenfalls noch eine entscheidende Zustimmung aus. Die der Verbände der Krankenkassen, die das gesamte Konstrukt finanzieren müssen.
Die Kreistagsfraktionen haben dem Plan bereits im zuständigen Fachausschuss vor der Corona-Krise einstimmig grünes Licht gegeben. Dass sich dies in der entscheidenden Sitzung am Donnerstag ändert, ist unwahrscheinlich. Die Kempener Ablehnung wird aber auf jeden Fall noch ins Gewicht fallen. Laut Vorlage des Kreises Viersen wird der Bedarfsplan dann ein Fall für die Bezirksregierung. In Düsseldorf müsse entschieden werden, wie dann mit dem von der Politik verabschiedeten Plan umgegangen werden müsse. Sollte sich das Verfahren in Richtung Düsseldorf verlagern, will Kempens Beigeordneter Geulmann sofort die Bezirksregierung kontaktieren und die Argumente der Stadt vorbringen.
Vom Kreis Viersen gab es am Mittwoch keine Stellungnahme
Beim Kreis Viersen hat die WZ am Mittwochnachmittag um eine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen gebeten. Also dazu, dass die Stadt Kempen am Mittwochmorgen ihre Ablehnung mitgeteilt hat. Und dazu, wie der Planungsprozess sich nun in Richtung Bezirksregierung entwickeln könnte. Zuständig für das Thema ist beim Kreis seit 1. April Dezernent Andreas Budde. Er hat den Bereich von der vom Landrat freigestellten Dezernentin Katarina Esser übernommen. Budde stand am Mittwoch nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung. Über die Pressestelle ließ sich bis Mittwochabend ebenfalls keine Stellungnahme bekommen.