Kempen Was liegt unter dem Viehmarkt?

Mit Spannung blicken historisch Interessierte auf die anstehenden archäologischen Ausgrabungen. Seit Montag ist der Parkplatz gesperrt.

Kempen: Was liegt unter dem Viehmarkt?
Foto: Friedhelm Reimann

Kempen. Archäologische Ausgrabungen in der Altstadt — das ist meist eine spannende Sache. 2012 stießen Experten des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) zum Beispiel nach dem Abriss des früheren Kreishauses auf interessante Funde. So auf Reste eines vier mal sechs Meter großen Gewölbekellers, der vermutlich früher eine Zisterne (unterirdischer Wasserspeicher) war. Inzwischen ist das Kreishaus Geschichte und im Klosterhof wird nun schon seit einigen Jahren geshoppt und gewohnt.

Kempen: Was liegt unter dem Viehmarkt?
Foto: Kreisarchiv

Jetzt blicken historisch interessierte Kempener mit Spannung auf den Viehmarkt — oder besser unter den Viehmarkt. Dieser ist seit Montag gesperrt, weil die Großbaustelle Regenspeicherbecken vorbereitet wird. Dieses soll unter dem Parkplatz entstehen. Und im Vorfeld stehen archäologische Ausgrabungen an. Dazu ist die Stadt Kempen bei Baumaßnahmen dieser Größenordnung im historischen Kern verpflichtet.

Vor dem Start der Arbeiten wagt die WZ einen Blick in die Glaskugel — oder besser in die Geschichtsbücher: Was könnte sich unter dem Viehmarkt zwischen Enger-, Thomasstraße und Altstadtring befinden? Welche Bodendenkmäler könnten dort noch unter der Erde schlummern?

Unmittelbar neben dem nun geplanten Grabungsbereich säumte noch bis ins 19. Jahrhundert das sogenannte Engertor auf der Engerstraße den Weg in die Innenstadt. Wie es ursprünglich ausgesehen hat, zeigt eine Federzeichnung von Aegidius Gelenius aus dem 17. Jahrhundert (Quelle: Stadtarchiv Köln). Es war das östliche der insgesamt vier Kempener Stadttore und bestand aus zwei Vortürmen, einem Mitteltor und zwei Zugbrücken, die jeweils über die Wassergräben führten, und dem Haupttor. Die zwischen den Wassergräben gelegenen Wälle und eine mindestens acht Meter hohe Stadtmauer sicherten die Bewohner vor Überfällen und Eindringlingen.

Der mittelalterliche Rundling ist ein typisches Beispiel für Stadtbefestigungen im 13. und 14. Jahrhundert des Rheinlandes. Im Laufe der Jahrhunderte sorgten mehrere Kriege, wirtschaftlicher Niedergang und fehlende finanzielle Mittel für einen maroden und bedenklichen Zustand der Befestigungsanlage. So wurde die Stadtmauer zum Ende des 18. Jahrhunderts bis auf zirka drei Meter niedergelegt, der innere Wassergraben verfüllt und als Gartenparzellen verpachtet. Die komplette Anlage des Engertores wurde im Zuge der neuen Verkehrsanbindungen Grefrath-Kempen-Hüls 1841 abgerissen. So könnten die Archäologen durchaus an den Rändern der Grabungsgrenzen auf Fundamente der Toranlage stoßen.

Interessante Hinweise zu diesem Bereich gibt es im Stadtarchiv Kempen, das sich noch in der Burg befindet. Einige Quellen erwähnen die komplette Toranlage als die größte der Stadt Kempen, vermutlich hatte dort die Zollabfertigung stattgefunden. Es gibt einige Beispiele in anderen mittelalterlichen Städten, an denen kleine Plätze neben den Toren zur Kontrolle der Besucher angelegt waren. Erst nach der Visitation durch das Wachpersonal und Entrichtung des Wegezolls, der in Kempen durch die Wachmänner kassiert wurde, konnten die Besucher das Haupttor passieren. Zu dieser Toranlage gehörte ein Wärterhaus, das in der Flucht der Stadtmauer neben dem Engertor lag. Auf eine gesicherte Existenz weisen einige Protokolle von 1833 hin. Damals stürzte nämlich eine Torwärterwohnung am Engertor wegen Baufälligkeit ein und neue Pläne zum Wiederaufbau schlugen fehl. Auf einigen historischen Stadtplänen vom Beginn des 19. Jahrhunderts sind die Grundrisse des Engertores und der Toranlage mit Torwärterhäusern und Stadtmauern dargestellt. Ein Torwärterhaus als Relikt des ehemaligen Petertores ist heute noch an der Ecke Peterstraße/Donkwall präsent und zeigt auch, dass die schmalen Häuser in der Höhe der Stadtmauer angepasst wurden.

Zurück zum Viehmarkt: Im Zuge des Bauprojektes der Stadt- und Kreissparkasse Kempen 1916 entstand wohl die Fläche des heutigen Viehmarktes, der zur damaligen Zeit Luisenplatz genannt wurde.

Neben Fundamentresten könnte auch das Profil des inneren Wassergrabens entdeckt werden und wichtige neue Erkenntnisse zur Grabenanlage liefern. Der Stadtgraben wurde vor der Kanalisierung unter anderem als Abwassergraben genutzt. Fäkalien und Abfall wurden durch den Spülwall eingespeist. Dabei könnten einige Gebrauchsgegenstände der Vergangenheit nun zum Fundmaterial der Archäologen gehören.

Was im Bereich der heutigen Parkanlage zwischen der Thomasstraße und dem Viehmarkt noch unter der Erde liegt, bleibt abzuwarten, denn dieser Bereich war in der Vergangenheit mit Jugendstil-Villen überbaut worden. Im Zuge der Kempener Altstadtsanierung in den 1960er Jahren mussten diese der Abrissbirne weichen und der Bereich wurde teilweise ausgebaggert, damit die Vertiefung des ehemaligen inneren Wassergrabens andeutungsweise wieder sichtbar wurde.

Noch eine Frage könnte für die Wissenschaftler nicht nur für die bevorstehenden Ausgrabungen spannend sein. In einem Auszug aus der Deskription des Amtes Kempen von 1659 aus dem Stadtarchiv ist Folgendes vermerkt: „Zwischen der Burg und der Engerphorten liegt der Jünkeren Kirchhof.“ Gemeint ist damit der sogenannte Junkerfriedhof, auf dem kurkölnische Beamte der Burg ihre letzte Ruhe fanden. Noch ein Hinweis darauf ist in dem Chronicon Rerum Kempensium (Nachrichten aus Pfarre und Stadt Kempen) des Kempener Stadtchronisten Johannes Wilmius aus dem 17. Jahrhundert zu finden. In der von Jakob Hermes und Felix Rütten übersetzten und überarbeiteten Ausgabe von 1985 wird vermutet, dass der gesuchte Friedhof im heutigen Burgwäldchen gelegen hat. Dieser Standort ist zwar nicht unmöglich, aber auch der Bereich zwischen der heutigen Thomasstraße und dem Viehmarkt würden dafür in Frage kommen. Was nun letztlich wirklich alles gefunden wird, bleibt natürlich abzuwarten. Wie schon gesagt — es könnte spannend werden unter dem Viehmarkt.