BookTok in Viersen Wie Social Media junge Menschen zum Lesen bringt
Viersen · TikTok? Nein, BookTok. Was das eine mit dem anderen zu tun hat und wieso BookTok auch für Viersener Buchhandlungen eine Rolle spielt.
Auf der Frankfurter Buchmesse am vergangenen Wochenende wurden bereits zum zweiten Mal die TikTok Book Awards verliehen. Denn eine Community der sonst so oft kritisierten Social Media Plattform hat sich einem Hobby verschieben, dass so manch einer der Generation Z oder auch den sogenannten jungen Leuten überhaupt nicht mehr zugetraut hätte: dem Lesen.
„Es gibt wieder viel mehr jüngere Leser, die zu uns in die Buchhandlung kommen“, sagt Anna Grün aus der Buchhandlung Dülkener Büchereck. „Die brauchen auch meistens gar keine Beratung, weil sie schon genau wissen, was sie wollen.“ Die Buchhändlerin steht vor einem Tisch, der hauptsächlich mit Werken aus den Genres Young Adult, New Adult und Dark Romance bestückt ist – der BookTok-Tisch. „Die meisten sind zwischen 16 und 20 Jahren, in einem Alter, in dem sie eine Ausbildung machen, eigenes Geld haben, gerade in den Beruf einsteigen.“
Mehr als 30 Millionen Beiträge gibt es weltweit unter dem Hashtag BookTok auf der Plattform TikTok. Seit April 2020 tauscht sich die Community auf der Videoplattform über ihre Lieblingsbücher aus, schafft Trends und beeinflusst so auch den Buchhandel. Denn was digital beginnt, geht in der Buchhandlung des Vertrauens weiter. Dass BookToker ihre Bücher offensichtlich lieber in der Buchhandlung kaufen, als sie im Internet zu bestellen, zeigt auch die neue Kategorie, in der in diesem Jahr zum ersten Mal ein TikTok Book Award verliehen wurde: „BookTok Indie Buchhandlung des Jahres“.
Vor Ort werden BookTok, die neuesten Trends, Empfehlungen und Bestseller dann in Form von ausgewählten Tischen oder Regalen in den Buchhandlungen dargestellt. „Das BookTok-Regal haben wir nach unserem Umzug im vergangenen Jahr eingeführt“, sagt Nina Perini aus der Thalia Buchhandlung in der Fußgängerzone. „In größeren Filialen gibt es aber auch mehrere kleine Buchtische auf denen dann bestimmte Empfehlungen von ausgewählten Influencern liegen, mit denen Thalia zusammenarbeitet.“
Während sie vor dem BookTok-Regal steht, wird sie von einer jungen Frau angesprochen, die ihr ein Smartphone unter die Nase hält und nach einem bestimmten Buch fragt. „Das passiert häufig“, sagt die Buchhändlerin. „Auf den Screenshots erkennt man oft, dass sie von BookTok abfotografiert wurden.“
Die beliebtesten und am häufigsten besprochenen Genres sind New Adult, Dark Romance und Fantasy bei den zumeist jungen Frauen, da sind sich die beiden Buchhändlerinnen einig. Das Genre New Adult ist unter anderem durch TikTok so groß und beliebt geworden, dass es in diesem Jahr zum ersten Mal eine eigene Halle auf der Frankfurter Buchmesse gab, die ausschließlich mit Werken dieser Sub-Gattung des Liebesromans gefüllt war.
Böse Zungen bezeichnen New Adult zwar als seichte Literatur. Aber Verlage berichten, dass das Interesse der jungen Leserschaft auch in anderen literarischen Segmenten zunehme. Es gebe natürlich Nischen, sagt Perini. „Einige Influencer stellen zum Beispiel Horrorliteratur, Thriller oder auch Ratgeber vor. Aber es gibt auch mehr junge Menschen, die nach Büchern von Jane Austen oder dem Alchemisten von Paulo Coelho fragen.“ Gerade für Klassiker hätten sich Leser ihrer Erfahrung nach früher erst ab Mitte 20 interessiert. Nun seien sie um fünf bis acht Jahre jünger. In der BookTok-Community kommt das mit Hashtags wie #austentok zum Ausdruck.
Besonders beliebt oder erfolgreich durch BookTok sind aktuell Autoren wie Sarah A. Parker und Colleen Hoover. „Letztere ist eine Art Dauerbrenner“, sagt Grün. Und das, obwohl die BookTok-Trends eher schnelllebig seien. „Im Vergleich zur Belletristik, wo es häufig Bücher gibt, die über einen längeren Zeitraum viel verkauft werden, sind BookTok-Titel nicht so lange aktuell.“ Schnell liege wieder etwas Neues auf dem Stapel.
Ein besonderes Merkmal der Bücher, die die BookTok-Community ansprechen, sind die Buchschnitte der Bücher. So bezeichnet man die drei Seiten eines Buchblocks, an denen das Buch geöffnet werden kann. Früher wurden sie bei besonderen Ausgaben manchmal mit goldener Farbe überzogen. Bei den BookTok-Werken schillern sie in allen Farben, tragen Muster oder sogar Buchstaben. „Einige BookToker werden zu richtigen Jägern und Sammlern, was die farbigen Buchschnitte angeht“, sagt Grün. „Oft ist es nur die Erstauflage, die so gedruckt wird und deshalb ist sie heiß begehrt.“
Auch was die Sprache angeht, bleiben die BookTok-Fans lieber bei der Erstausgabe. „Es wird deutlich mehr auf Englisch gelesen“, sagt Grün. Das lasse sich zum einen damit erklären, dass die jungen Leute damit die neu gelernte Sprache vertiefen und beibehalten wollen, aber auch damit, dass durch eine Übersetzung immer etwas verloren gehe. „Es fällt dieser Generation auch leichter, die Bücher auf Englisch zu verstehen, gerade weil sie durch Social Media und YouTube ständig von der englischen Sprache umgeben sind.“