Gedächtnis statt Einkaufsliste

Hilfe: In einer Gruppe lernen Erwachsene Lesen und Schreiben. Sie ergänzt Seminare.

Viersen. Wöchentlich einmal verwandelt sich der große Esstisch im Wohnzimmer von Monika Tappiser in einen Schultisch. Zeitungen, Bücher und Schreibhefte liegen auf der Tischplatte. Lese- und Schreib-Übungen stehen auf dem Stundenplan. Allerdings sind diejenigen, die dort lernen, keine Grundschüler mehr. Das Alter ist etwas höher angesetzt. Mit dem Lesen und Schreiber haben die Menschen dennoch Schwierigkeiten. Basierend auf den VHS-Kursen "Grundkenntnisse in Lesen und Schreiben" hat die ehemalige Deutschlehrerin eine Selbsthilfegruppe für Betroffene ins Leben gerufen.

"Ich habe einen Bekannten in einen solchen VHS-Kurs vermittelt und bin irgendwie hängengeblieben", sagt Tappiser. Sie unterstützte die Kursleiterin Beatrix Konnen bei der Arbeit, woraus die Idee eines zusätzlichen Angebotes in Form eines Selbsthilfekurses entstand.

"Unterricht einmal in der Woche reicht eigentlich nicht aus. Zudem ist der Austausch wichtig, um zu erkennen, dass auch andere die Probleme haben", sagt Konnen. Neben dem VHS-Unterricht wird in der Selbsthilfegruppe in Form von Diktaten, Aufsätzen, Lese- und Rechtschreib-Übungen gelernt, aber natürlich auch erzählt.

Alle kennen die Probleme, wenn es mit dem Lesen und Schreiben hapert. "Wenn man nicht schreiben und lesen kann, dann merkt man sich ganz viele Dinge einfach", erzählt Siggi Erben. Statt Einkaufszettel schreiben sei immer das Gedächtnis gefragt gewesen. Man habe Sachen zwei- oder dreimal gehört und auswendig gelernt, beschreibt Brigitte Küllertz ihre Erfahrungen. Jetzt lernt die junge Frau und hat sich als erstes Ziel den Hauptschulabschluss gesetzt. Das Problem sich zu outen hatten alle.

"Das Schlimmste war für mich, als ich es meinen Kindern gesagt habe", erinnert sich Heidi P.. Sie waren es aber auch, die ihr den Anstoß gegeben haben, sich um das Problem zu kümmern. "Meine Kinder sollen es einmal besser haben. Aber um ihnen helfen zu können, muss ich selber lesen und schreiben können", bemerkt die Viersenerin, die es schaffte, eine Schreinerlehre zu absolvieren. Man mogle sich so durch, ist ihr Kommentar dazu. "Es ist keine Schande, nicht richtig schreiben und lesen zu können, man soll sich nicht schämen, sondern die Sache angehen", sagt Hakan T., der seit einem Semester den VHS-Kurs und auch die Selbsthilfegruppe besucht.

Und wenn es im Alltag mal nicht so klappt, dann zieht er sein VHS-Kärtchen mit dem Kreis-Viersen Logo-hervor, auf dem steht, dass der Betreffende gerade lesen und schreiben an der VHS lernt und Hilfe benötigt.