Kinder suchen Pflegeeltern
Bereits 34 Kinder mussten in diesem Jahr vorübergehend in einer anderen Familie betreut werden. Die Tendenz steigt.
Viersen. In der Familie von Heike Mertens* gibt es immer wieder neue Gesichter. Die 40-Jährige hat nämlich vor fünf Jahren mit ihrem Mann beschlossen, Kinder zur Pflege zu sich zu nehmen. Und so kommt zu den drei leiblichen Kindern (sechzehn, zwölf und elf Jahre) und einem dauerhaften Pflegekind immer wieder für bis zu sechs Monate ein neues Familienmitglied hinzu.
"Wir waren damals auf der Kippe, weil wir nicht so recht wussten, ob wir noch ein weiteres Kind haben wollen. Schließlich haben wir uns entschieden, Pflegeeltern zu werden", sagt die 40-Jährige. Vor allem der Spaß an einer großen Familie habe zu der Entscheidung beigetragen.
Gleichgesinnte gibt es in Viersen zu wenig. Das weiß Christa Wenders vom Sozialdienst katholischer Frauen (SKF). Sie arbeitet zusammen mit dem Jugendamt im Bereich Pflegekinderwesen. Für die so genannte Bereitschaftspflege stehen 14Familien zur Verfügung. Die nehmen Kinder auf, die kurzfristig Hilfe brauchen, weil die leiblichen Eltern mit der Erziehung überfordert sind. Der Aufenthalt in der Pflegefamilie kann zwischen zwei Wochen und sechs Monate dauern.
In diesem Jahr wurden bereits 34 Kinder in Bereitschaftspflege aufgenommen. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 28. "Daran sieht man, dass die Tendenz steigt", betont Wenders. Einen Grund sieht die Sozialpädagogin in der "fehlenden Orientierung von Familien". "Das soziale Netz gibt es mittlerweile oft nicht mehr", sagt Wenders. Erzieherische Kompetenz und Werte würden nicht mehr weitergegeben.
Während die Kinder in der Bereitschaftspflege sind, kümmern sich Jugendamt und SkF um deren Perspektive. 60 Prozent der Kinder kehren wieder zu ihren leiblichen Eltern zurück. "Entweder weil die Krise behoben ist oder weil Lösungen gefunden werden, zum Beispiel durch die sozialpädagogische Familienhilfe."
Einige Voraussetzungen müssen potenzielle Pflegefamilien erfüllen. Prinzipiell müssten sie großen Spaß am Umgang mit Kindern haben und eine "gute Portion Einsatz" mitbringen. "Außerdem müssen sie gesund sein und ein Führungszeugnis vorlegen. Wir wollen die Bereitschaft bei der Familie erkennen, mit uns eng zusammenarbeiten", erklärt Wenders. Bis zu vier Monaten werden künftige Pflegeeltern geschult.
Das alles haben Heike Mertens und ihr Mann hinter sich. Derzeit haben sie das siebte Pflegekind in Folge bei sich aufgenommen. "Wenn ich ohne Kind einkaufen gehe und es schreit jemand Mama, fühle ich mich trotzdem sofort angesprochen", beschreibt Heike Mertens ihr ausgeprägtes "Mutter-Empfinden".
Kontakt zu den ehemaligen Pflegekindern gibt es wenig. Schließlich müsse man loslassen können. "Ich vergleiche das immer mit einem Blümchen, dem man beim Wachstum zuschaut, es unterstützt, das dann aber umgetopft werden muss", sagt die 40-Jährige. Wenn ein Kind zurückgegangen und die Familie wieder für sich ist, unternehmen die Mertens meist etwas Besonderes.
Eltern, die darüber nachdenken, Kinder in Pflege zu nehmen, rät Heike Mertens, das intensiv mit der ganzen Familie zu besprechen, vor allem mit den eigenen Kindern. *Name von der Redaktion geändert