Neue Grundsteuer B Acht von zehn Einfamilienhausbesitzern müssen mehr bezahlen
Kreis Viersen · Die Grundsteuerreform führt im Kreis Viersen zu massiven Verschiebungen. Insbesondere Besitzer von Einfamilienhäusern müssen ab 2025 deutlich mehr bezahlen. Doch möglicherweise gibt es einen Ausweg.
Lange mussten Hausbesitzer, Grundstückseigentümer und Mieter auf die letzte Zahl warten, mit deren Hilfe sie ihre Grundsteuerbelastung ab dem kommenden Jahr berechnen können. Jetzt hat das NRW-Finanzministerium die neuen Hebesätze der Kommunen für die Grundsteuer B veröffentlicht. Klar ist schon jetzt: Für viele Einfamilien-Hauseigentümer wird die Steuer deutlich teurer, Mieter in Innenstadtlagen werden weniger stark zur Kasse gebeten, die Steuerlast für sogenannte Nichtwohngrundstücke – also beispielsweise für Gewerbebetriebe – wird fundamental geringer ausfallen. Falls die Kommunen nicht noch eine Option ziehen, die NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) ihnen ausdrücklich erlauben will: verschiedene Steuersätze für Wohngrundstücke und Nichtwohngrundstücke zu erheben. Diese Möglichkeit aber hat aus Sicht der Kommunen einen Pferdefuß.
Rückblick: Das Bundesverfassungsgericht hatte vor sechs Jahren die Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt und die bisherige Grundsteuerberechnung gekippt. Spätestens zum 1. Januar 2025 muss deshalb eine neue Grundsteuerberechnung zum Tragen kommen. Es ist für die Städte und Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle: In Viersen beispielsweise spülte sie im vergangenen Jahr mehr als 12,7 Millionen Euro ins Stadtsäckel.
Das Versprechen aus dem Ministerium: Unterm Strich soll die Grundsteuerreform aufkommensneutral sein. Es soll keine versteckte Steuererhöhung geben. Allerdings: „Aufkommensneutralität für die Kommune bedeutet nicht Belastungsneutralität für die Bürgerinnen und Bürger“, sagt der Minister.
Auf Anfrage hat die Viersener Stadtverwaltung einmal durchgerechnet, wie die Verschiebungen in Viersen aussehen werden. „Die Auswertung zeigt, dass sich auch bei der Stadt Viersen eine Belastungsverschiebung von den Nichtwohngrundstücken zu den Wohngrundstücken ergibt, wie sie landesweit zu beobachten ist“, sagt Birgit Wöltering, stellvertretende Stadtkämmerin.
In Viersen haben sich die Messbeträge für Einfamilienhäuser im Schnitt um 18 Prozent erhöht. Für Mietwohngrundstücke sind sie im Schnitt um 19 Prozent gesunken. Und für Geschäftsgrundstücke sanken die Messbeträge sogar durchschnittlich um 56 Prozent. „Diese Zahlen sind aber noch nicht endgültig“, betont Wöltering. „Bewertungen und Berichtigungen seitens des Finanzamtes stehen noch aus.“
In einer Detailanalyse hat die Stadtverwaltung für unsere Leser einmal durchgerechnet, in wie vielen Fällen es für Eigentümer von Einfamilienhäusern mit dem neuen aufkommensneutralen Hebesatz von 559 zu einer Reduzierung, in wie vielen Fällen es zu einer Erhöhung der Grundsteuer kommen würde. In 2792 Fällen wird es demnach ab 2025 zu einer geringeren Grundsteuer kommen, das entspricht 21 Prozent. 78 Prozent hingegen müssen mit einer zum Teil deutlich höheren Grundsteuerbelastung rechnen. In 9448 Fällen (73 Prozent) liegt die Erhöhung bei höchstens 400 Euro im Jahr. In 658 Fällen (fünf Prozent) liegt sie sogar noch höher. „Bei 117 Fällen, das entspricht einem Prozent, ist aufgrund von fehlenden Vergleichsfällen keine Angabe möglich“, berichtet Wöltering.
Und wie sieht das für Mieter aus? Sie müssen – über die Nebenkostenabrechnung – ebenfalls Grundsteuer bezahlen. In Viersen kann mehr als die Hälfte mit einer steuerlichen Entlastung rechnen, genauer: 52 Prozent. Bei 40 Prozent würde die Grundsteuerbelastung um bis zu 400 Euro pro Jahr steigen, bei acht Prozent um mehr als 400 Euro pro Jahr.
Für die anderen Kommunen im Kreis Viersen gelten andere Prozentwerte, allerdings mit ähnlicher Tendenz. In Grefrath wird das Ministerium vermutlich den Hebesatz noch einmal anpassen, weil dort die Grundsteuer erst vor wenigen Tagen rückwirkend erhöht wurde. Klar ist: Wohnen wird sich ab dem kommenden Jahr für die große Mehrheit der Menschen im Kreis Viersen weiter verteuern.
Damit das abgemildert wird, will NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk ein Gesetz erlassen, das den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, verschiedene Hebesätze für die Grundstücke anzusetzen: niedrigere für Wohngrundstücke, höhere für Nichtwohngrundstücke. Auch diese differenzierten Steuersätze hat sein Ministerium jetzt veröffentlicht.
Doch die Reaktionen sind verhalten. Denn laut Gesetzestext der Düsseldorfer Koalitionsfraktionen müssen die Kommunen selbst dafür sorgen, dass ihre Hebesätze verfassungsrechtlich abgesichert sind und nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz verstoßen. Wer sich durch die neuen Hebesätze zu stark belastet fühlt, kann dagegen klagen. Dass solche Klage von Bürgern oder Gewerbetreibenden kommen, dürfte sicher sein.
Niederkrüchtens Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos) erklärte: „Damit müssen wir uns noch intensiv gemeinsam mit dem Rat beschäftigen.“ Und Viersens stellvertretende Kämmerin sagt: „Bisher lag der Fokus auf die Festlegung eines einheitlichen Hebesatzes.“ Allerdings werde die Verwaltung jetzt nach Bekanntgabe der differenzierten aufkommensneutralen Hebesätze diese Alternative in ihre Überlegungen einbeziehen und mit der Politik diskutieren. Wöltering: „Eine größere Rechtssicherheit hinsichtlich der Begründung der gewählten Hebesätze sehe ich aber in der Festlegung eines einheitlichen Hebesatzes.“