Tönisvorst 100 Menschen nehmen in St. Tönis am Schweigemarsch teil

Die Jugendlichen und Erwachsenen zogen am Mittwochabend durch den Stadtteil und gedachten der Opfer der Pogromnacht von 1938.

Foto: Lübke

Tönisvorst. Mit weißen und roten Kerzen in der Hand gehen am Mittwochabend etwa 100 Menschen schweigend von der katholischen Kirche St. Tönis zur Kolpingstraße, wo bis 1938 eine Synagoge stand. Es sind Schüler und Studenten, Eltern, Lehrer, Politiker und Senioren, die mit ihrem Schweigemarsch an das erinnern, was vor 78 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. November in Deutschland geschah: Vertreter der nationalsozialistischen Bewegung schlugen Fenster von jüdischen Geschäften ein, verwüsteten Wohnungen, verbrannten Bücher und schikanierten jüdische Mitbürger.

Auch dort, wo seit zehn Jahren am Abend des 9. Novembers der von den Schülern des Michael-Ende-Gymnasiums initiierte Gedenkmarsch entlangzieht, gab es in Verbindung mit der Reichspogromnacht Übergriffe. Justus Jansen, Schüler des MEG, erinnert vor dem Haus Hochstraße 37 an den Viehhändler Isaak Kaufmann, der von den Nazis an seinen Korbsessel gefesselt wurde. „Bevor die SA-Männer den 80-Jährigen anzünden konnten, kamen ihm Nachbarn zur Hilfe“, schildert der Schüler die Begebenheit. Kaufmann floh mit Hilfe eines Mitarbeiters in die Niederlande, später ging er nach Argentinien. „Wir gedenken heute nicht nur der Opfer, sondern auch der Menschen, die geholfen haben“, sagt der 15-Jährige. In Zeiten, in denen Populisten höchste Staatsämter innehätten, gelte es besonders einzustehen für Gerechtigkeit und Solidarität.

Auch Pawel Weinstein, Schülersprecher des Tönisvorster Gymnasiums, kommt in seiner Rede auf die Menschen zu sprechen, die nicht mitgemacht und nicht weggesehen haben. „Meine Familie stammt aus einem kleinen Dorf in der Ukraine, das Juden Schutz bot, trotz der Gefahren, die für jeden damit verbunden waren. Dass ich hier stehe, beweist: Der Kampf gegen die Ungerechtigkeit lohnt sich immer.“

Schülerinnen der Sekundarschule Tönisvorst bringen sich ebenfalls ein: „Unsere Zukunft heißt Erinnerung“, greift Ella Haun das Motto des Schweigemarschs auf. Die heutige Generation sei verantwortlich dafür, dass sich so etwas wie der Holocaust nicht wiederhole, sagt Anna Tellers. Und Osayimwen Osemwegie fordert: „Erzählt Euren Kindern davon!“

Auch Bürgermeister Thomas Goßen sagt: „Wir tragen die Verantwortung dafür, dass sich Rassismus und Intoleranz, Verfolgung und Ausgrenzung nicht wiederholen.“ Mit Gebeten endet die Veranstaltung. Am Gedenkstein, dort wo einst die Synagoge von St. Tönis stand, bleiben ein Kranz und Kerzen zurück.