Burundi-Reise: Ein unschönes Erlebnis
Pfarrer Ludwig Kamm muss im vierten Teil der WZ-Serie einen seiner Ziehsöhne im Gefängnis besuchen.
Tönisvorst/Gitega. Am Stadtrand von Gitega liegt ein Relikt aus der deutschen Kolonialzeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts — das Gefängnis. Es ist wohl das einzige Gebäude aus dieser Zeit, das noch nach seinem ursprünglichen Zweck benutzt wird. Ich hätte nie gedacht, einmal durch die Eingangspforte dieses Gebäudes zu gehen. Doch heute besuchte ich dort einen Bekannten.
In den Anfangsjahren des Zachäus-Hauses wuchsen mir drei Jungen ans Herz. Seit vielen Jahren kümmerte ich mich immer mal wieder um sie. Ihre vielen schulischen Wirrungen waren nicht immer voller Freude, doch eine Schwester sorgte immer wieder für eine Unterbringung.
Diese drei Jungs habe ich häufig als „meine Söhne“ bezeichnet. Sie standen immer auf meiner „Finanzliste“. Aristide hat eine Ausbildung als Elektriker gemacht. Er arbeitet zurzeit als Lagerist. Onesime studierte in Bujumbura Jura und macht zurzeit sein Examen.
Dieudonné hat nach dem Abitur eine Anstellung als Grundschullehrer gefunden — in der Heimatregion seines Vaters. Dadurch hatte ich ihn aus den Augen verloren. Onesime erzählte mir vor einigen Tagen bei einem Besuch unserer Studenten in Bujumbura, dass Dieudonné im Gefängnis einsitze. Unter Alkoholeinfluss habe er im Streit einen Menschen mit einem Messer erstochen.
Heute nun habe ich Dieudonné zusammen mit Schwester Josephine im Gefängnis besucht. Ohne Kontrolle konnten wir durch eine Vorhalle gehen, in der zahlreiche Polizisten saßen. In einem offenen Nebenraum war der Besucherbereich. Zahllose Besucher auf unserer Seite, eine Traube Gefangener auf der anderen.
Schwester Josephine ließ Dieudonné von anderen Gefangenen holen. Endlich kam er — und war noch schlanker als früher schon. Doch sonst schien es ihm einigermaßen zu gehen. Seine Freude war groß, die Begrüßung herzlich — den äußeren Umständen angepasst. Er sitzt seit zwei Jahren und vier Monaten ein. In einer ersten Verhandlung wurde er wohl zu lebenslänglich verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, ein neuer Verhandlungstermin aber auch noch nicht angesetzt. Die Einschätzung von Schwester Josephine: Ohne „Nachhilfe“ wird es wohl bei dem Urteil bleiben.
Leider war in dem Gedränge kein persönliches Gespräch möglich. Auch auf die Übergabe eines kleinen Geschenkes habe ich wegen der Umstände verzichtet. Es waren genug andere Interessenten um ihn herum. Die Schwester wird in naher Zukunft noch mal hingehen. Seit 25 Jahren kenne ich das Gefängnis von außen. Ich hätte diesen Zustand freiwillig nicht ändern wollen.